Leitsatz
Ein bereits mit der Kündigung erklärter Widerspruch gegen eine stillschweigende Vertragsfortsetzung ist wirksam; eines zeitlichen Zusammenhangs mit der Vertragsbeendigung bedarf es nicht (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 9.4.1986, VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986 S. 1020).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 545
Kommentar
Die Vermieterin hat das Mietverhältnis mit Schreiben vom 23.5.2007 unter Beachtung einer Kündigungsfrist von 9 Monaten zum Ablauf des Februar 2008 wegen Eigenbedarfs gekündigt. In dem Kündigungsschreiben wurde der Vertragsverlängerung vorsorglich widersprochen. Die Mieterin hat die Wohnung nicht geräumt. Die Vermieterin hat Räumungsklage erhoben, die der Mieterin am 19.3.2008 zugestellt wurde. Der BGH hatte zu entscheiden, ob das Mietverhältnis nach § 545 BGB verlängert wurde.
Wird ein Mietvertrag gekündigt und setzt der Mieter den Mietgebrauch nach Ablauf der Mietzeit fort, so verlängert sich das Mietverhältnis gem. § 545 Abs. 1 BGB auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen erklärt. Diese Erklärung muss innerhalb von zwei Wochen abgegeben werden. Für den Vermieter beginnt diese Frist in dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erlangt.
Hier endete das Mietverhältnis am Freitag, den 19.2.2008. Die Widerspruchsfrist begann am Samstag, den 1.3.2008; sie endete nach Ansicht des Berufungsgerichts am Montag, den 17.3.2008. Eine Widerspruchserklärung hat die Vermieterin nicht abgegeben. Jedoch ist anerkannt, dass der Widerspruch auch konkludent erklärt werden kann, etwa durch Erhebung einer Räumungsklage. In diesem Fall ist allerdings erforderlich, dass die Klage dem Mieter innerhalb der Frist des § 545 BGB zugestellt wird. Diese Voraussetzung war nicht gegeben: Die Klage wurde der Mieterin erst nach Fristablauf, nämlich am 19.3.2008 zugestellt.
Nach allgemeiner Ansicht kann der Widerspruch bereits vor Beginn der Widerspruchsfrist erklärt werden. Dies führt zu der Frage, ob ein im Kündigungsschreiben erklärter Widerspruch die Rechtsfolge des § 545 BGB auslöst. Hierzu werden verschiedene Ansichten vertreten. Nach bislang herrschender Meinung muss zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ende des Mietverhältnisses ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehen. Dieser ist bei der fristlosen Kündigung, gegebenenfalls auch bei einer ordentlichen Kündigung mit dreimonatiger Frist gewahrt. Beträgt die Kündigungsfrist dagegen 9 Monate, fehlt es am zeitlichen Zusammenhang zwischen Kündigung und Vertragsende; der Widerspruch muss dann nach Beendigung des Mietvertrags wiederholt werden (Emmerich in: Staudinger (2006), § 545 BGB Rdn. 14; Sternel, Mietrecht aktuell, Rdn. X 182; Lammel, Wohnraummietrecht, § 545 BGB Rdn. 33; Blank in: Schmidt-Futterer, § 545 BGB Rdn. 25 jew. m.w.N.). Nach anderer Ansicht ist ein in der ordentlichen Kündigung erklärter Widerspruch wirksam, ohne dass es auf die Länge der Kündigungsfrist ankommt (OLG Köln, Urteil v. 10.3.2003, 16 U 72/02, WuM 2003 S. 465 bei 12-monatiger Kündigungsfrist). Der BGH hat in dem Urteil vom 9.4.1986 (VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986 S. 1020 unter Ziff. II 3 zu § 568 BGB a. F. = § 545 BGB n. F.) entschieden, dass der Widerspruch zwar bereits vor Fristbeginn erklärt werden kann; dies müsse "jedoch in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ablauftermin geschehen". An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest. Für den Eintritt der Rechtsfolge des § 545 BGB reicht es nach nunmehriger Rechtsprechung aus, wenn der Mieter aufgrund der Erklärungen des Vermieters eindeutig erkennen kann, dass dieser das Mietverhältnis nicht fortsetzen will. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn der Vermieter der Vertragsfortsetzung im Kündigungsschreiben ausdrücklich widerspricht; auf die Dauer der Kündigungsfrist kommt es nicht an.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss v. 21.4.2010, VIII ZR 184/09, NJW 2010 S. 2124