Leitsatz

Enthalten die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung hinsichtlich der Zweckbestimmung eines Teileigentums widersprüchliche Angaben (hier: "Laden mit Lager" einerseits, "Nutzung als Gewerbe" andererseits), so geht grundsätzlich die Regelung in der Gemeinschaftsordnung vor.

 

Sachverhalt

Die Teileigentümerin von Räumen in einer Eigentumsanlage betrieb ein Feinkostgeschäft mit Konzession zum Ausschank von Getränken. Der Betrieb war regelmäßig bis 1 Uhr nachts geöffnet. In der Teilungserklärung war das Teileigentum als "Laden mit Lager" bezeichnet. Die als Inhalt des Wohnungs- bzw. Teileigentums im Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung enthielt darüber hinaus u.a. hinsichtlich des in Rede stehenden Teileigentums die weitere Bestimmung, daß die Genehmigung zur Nutzung als Gewerbe endgültig und für dauernd als erteilt gelte, ein Widerruf dieser Genehmigung jedoch für den Fall erheblicher Störungen durch das Gewerbe möglich sei.

Wegen der mit dem Betrieb der Gaststätte verbundenen Geräuschbelästigungen wandten sich einige Wohnungseigentümer gegen die weitere Nutzung des Teileigentums als Gaststätte.

 

Entscheidung

Letztlich mußte der Betrieb der Gaststätte eingestellt werden. Grund hierfür war jedoch nicht die der Bezeichnung des Teileigentums als "Laden mit Lager" in der Teilungserklärung widersprechende Nutzung, sondern der Widerrufsvorbehalt in der Gemeinschaftsordnung.

Die Richter hatten in diesem Rechtsstreit zunächst zu klären, welche der im Grundbuch eingetragenen Bestimmungen Vorrang hatte. Wäre bereits die Teilungserklärung maßgeblich, so wäre die in Rede stehende Nutzung bereits wegen des Widerspruchs zur Teilungserklärung zu untersagen. Enthalten aber die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung hinsichtlich der Zweckbestimmung eines Teileigentums widersprüchliche Angaben, so geht grundsätzlich die Regelung in der Gemeinschaftsordnung vor. In diesem Fall hat dann die nähere Beschreibung eines Teileigentums in der Teilungserklärung als Laden nicht die Bedeutung einer einschränkenden Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter, wie dies ansonsten der Fall ist.

Da die Gemeinschaftsordnung im Grundbuch eingetragen worden war, konnte sie wie jede Grundbucherklärung selbständig vom Gericht ausgelegt werden. Hiernach ergab sich jedenfalls, daß die in Rede stehende Nutzung des Teileigentums den Regelungen der Gemeinschaftsordnung entsprach und dem Gewerbebegriff untergeordnet werden konnte.

Dennoch mußte die Nutzung untersagt werden, da von ihr erhebliche Störungen für die übrigen Hausbewohner ausgingen, die diese nicht zu dulden hatten. Unabhängig von der Widerrufsregelung in der Gemeinschaftsordnung kann jeder Wohnungseigentümer einen den Vereinbarungen entsprechende Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen. Dieser Anspruch steht jedem einzelnen Wohnungseigentümer unabhängig von einer entsprechenden Ermächtigung der übrigen Wohnungseigentümer zu.

 

Link zur Entscheidung

BayObLG, Beschluss vom 28.10.1997, 2Z BR 88/97

Fazit:

Diese Entscheidung macht wieder einmal die erhebliche Bedeutung der Gemeinschaftsordnung deutlich. In der Praxis enthält nahezu jede Teilungserklärung, die nur die rein dinglichen Rechtsverhältnisses wie Abgrenzung und Zuordnung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum sowie die Festlegung und Zuordnung der Miteigentumsanteile regelt, eine Gemeinschaftsordnung.

für das Zustandekommen und für die änderung der Gemeinschaftsordnung bedarf es grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer sowie der Eintragung ins Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums, damit diese Vereinbarungen im Falle eines Eigentümerwechsels auch dem neuen Eigentümer gegenüber Rechtswirkung entfalten.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?