Zusammenfassung
Wenn sich ein AG-Vorstand selbst zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH bestellt, ist das ein sog. Insichgeschäft. Nach § 181 Alt. 1 BGB ist dann die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich.
Sachverhalt
Eine Aktiengesellschaft (AG) gründete eine 100-prozentige Tochter-GmbH. Zum Handelsregister wurden bei der Anmeldung der GmbH drei gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer, davon zwei Vorstandsmitglieder der AG, angemeldet. Für die AG handelte sowohl bei der Gründung der GmbH als auch der Beschlussfassung über die Bestellung der drei Geschäftsführer, ein Vertreter. Der Vertreter hatte von den zwei vorbenannten Vorstandsmitgliedern der AG eine Vollmacht erhalten. Dieses Vorgehen betrachtete das Registergericht als Verstoß gegen § 181 Alt. 1 BGB, weil nach dem Registergericht weder eine vorherige Zustimmung noch eine nachträgliche Genehmigung des Aufsichtsrats der AG vorliege. Die Eintragung wurde vor diesem Hintergrund mit einer Zwischenverfügung abgelehnt.
Das Registergericht hatte einer gegen die Zwischenverfügung eingelegten Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem OLG Frankfurt (OLG) zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beschluss des OLG Frankfurt v. 4.1.2022 (Az. 20 W 225/20)
Zunächst stellte das OLG klar, dass in diesem Fall keine grundsätzliche Vertretung der AG durch den Aufsichtsrat nach § 112 AktG erforderlich sei. Demnach würde die AG bei Geschäften zwischen AG und Vorstand (nur) durch den Aufsichtsrat vertreten. Die Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer einer Untergesellschaft sei aber allein ein Organakt dieser Untergesellschaft (hier die GmbH) und nicht ein Geschäft der Obergesellschaft (der AG). Es gehe hier also gerade nicht um ein Rechtsgeschäft der AG gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern.
Allerdings handle es sich hier um einen Fall des Insichgeschäfts, da der Vorstand der AG hier in einer Doppelrolle handle (als Vorstand für die AG und als Geschäftsführer für sich selbst). Das stelle einen Verstoß gegen § 181 Alt. 1 BGB dar. Durch diese Vorschrift solle verhindert werden, dass verschiedene und damit möglicherweise einander entgegenstehende Interessen durch ein und dieselbe Person vertreten werden, solange dies nicht durch Gesetz oder Vollmacht gestattet ist, weil ansonsten stets die Gefahr der Schädigung einer Partei bestehen könnte. Hieran ändere sich auch nichts aufgrund des Umstands, dass nicht die zu Geschäftsführern bestellten Vorstandsmitglieder direkt, sondern nur der von diesen bevollmächtigte Vertreter gehandelt hat. Denn durch Vollmacht können nie mehr Rechte auf einen Untervertreter übertragen werden, als dem Vollmachtgeber zustehe.
Demnach sei hier eine Genehmigung durch den Aufsichtsrat erforderlich.
Anmerkung
Die Entscheidung des OLG betrifft den häufig anzutreffenden Fall, dass eine Gesellschaft eine 100-prozentige Tochter-GmbH gründet, wobei ein Organ der Gesellschaft gleichzeitig auch als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft bestellt wird. In der Praxis wurde bislang immer vorgesorgt und die Bestellung entweder durch andere Organe (Vorstand A und B bestellen C), Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrates abgesichert.
Bei ausländischen Gesellschaften kommt es immer auf das lokale Recht an, aber auch dort sollte eine Personenidentität bei dem Bestellungsbeschluss möglichst vermieden werden, um Rückfragen des Handelsregisters zu vermeiden.
Dennoch ist es zu begrüßen, dass der Beschluss des OLG beim BGH zur Revision anhängig ist. Bis zur Entscheidung des BGH wird es jedenfalls bei der bisherigen, vorsichtigen Praxis bleiben.