Leitsatz
Ein mittels Blankounterschrift des Rechtsanwalts weisungsgemäß erstellter bestimmender Schriftsatz erfüllt die gesetzlichen Formerfordernisse nur, wenn der Anwalt den Inhalt des Schriftsatzes so genau festgelegt hat, dass er dessen eigenverantwortliche Prüfung bestätigen kann. An einer solchen Festlegung fehlt es, wenn der Entwurf einer Berufungsbegründung nach stichwortartig fixierten Vorgaben des Anwalts durch einen Referendar inhaltlich überarbeitet wird, ohne dass der Anwalt die endgültige Fassung der Berufungsbegründung kennt.
Sachverhalt
Die von einem Referendar entworfene Berufungsbegründung wurde vom ausbildenden Rechtsanwalt am Abend vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist durchgesehen. Der Referendar wurde beauftragt, die abgesprochenen, handschriftlich und stichwortartig fixierten Korrekturen vorzunehmen. Der Anwalt verließ danach seine Kanzlei. Zuvor hatte er die Berufungsbegründung blanko unterschrieben und den Referendar angewiesen, den fertigzustellenden Schriftsatz dem LG per Fax zu übermitteln. Die Übermittlung erfolgte erst nach Mitternacht. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig und ließ dahinstehen, ob die vorgetragenen Wiedereinsetzungsgründe überhaupt gegeben waren. Der BGH bestätigte diese Entscheidung.
Entscheidung
Als bestimmender Schriftsatz muss die Berufungsbegründung grundsätzlich von einem zur Vertretung bei dem Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein. Die Unterzeichnung durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt stellt keine bloße Formalität dar. Sie ist zugleich äußerer Ausdruck für die vom Gesetz geforderte eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts der Begründungsschrift durch den Anwalt. Die Berufungsbegründung muss stets Ergebnis der geistigen Arbeit des Berufungsanwalts sein. Zwar ist der Anwalt nicht gehindert, die Berufungsbegründung von anderen Personen vorbereiten zu lassen. Erforderlich ist aber, dass der unterzeichnende Anwalt die Berufungsbegründung selbständig prüft und aufgrund der Prüfung die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt.
Für das Berufungsgericht besteht zwar in aller Regel kein Anlass, den Inhalt einer anwaltlich unterschriebenen Berufungsbegründung darauf zu prüfen, in welchem Umfang und wie gründlich der Anwalt den Prozessstoff tatsächlich selbst durchgearbeitet hat. Indes bestehen zwei Ausnahmen von diesem Grundsatz: zum einen, wenn der Anwalt sich durch einen Zusatz von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert, und zum anderen, wenn außer Zweifel steht, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz unbesehen unterschrieben hat. Letzteres konnte das LG hier aufgrund der eigenen Angaben des Prozessbevollmächtigten annehmen.
Praxishinweis
In Ausnahmefällen lässt der BGH die Verwendung von Blankounterschriften dennoch zu. Sie sind (allein) dann unbedenklich, wenn der Inhalt des Schriftsatzes durch die Weisung des Rechtsanwalts so genau bestimmt worden ist, dass eine fachkundige Hilfsperson ihn ohne weitere sachliche oder inhaltliche Festlegungen erstellen kann. Bei Rechtsmittelbegründungen, bei denen es auf den sachlichen Gehalt der Ausführungen ankommt, ist eine solche Weisung aber nicht denkbar. Der Anwalt kann ihre eigenverantwortliche Prüfung nur dann bestätigen, wenn er den Text im Einzelnen kennt, also wortwörtlich vorgegeben hat.
Link zur Entscheidung
BGH-Beschluss vom 23.6.2005, V ZB 45/04