Leitsatz

Wiedereinsetzung kann auch dann gewährt werden, wenn ein Rechtsanwalt seiner Büroangestellten die Anweisung erteilt hat, den Namen des Berufungsklägers in der von ihm unterzeichneten Rechtsmittelschrift zu berichtigen, dazu die erste Seite des Schriftsatzes auszutauschen und die Berufungsschrift anschließend per Telefax an das Rechtsmittelgericht zu übermitteln, die Angestellte den Schriftsatz aber versehentlich unverändert absendet.

 

Sachverhalt

Im Rahmen eines Schadensersatzprozesses wurde ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, eine Bürokraft ihres Prozessbevollmächtigten, die Rechtsanwaltsfachangestellte F, habe den verfahrensgegenständlichen Berufungsschriftsatz am letzten Tag der Berufungsfrist gefertigt. Dort sei fälschlicherweise nicht die Klägerin, sondern deren Ehemann als Berufungsführer aufgeführt gewesen. Dies sei dem Anwalt nach der Unterzeichnung aufgefallen. Er habe F daraufhin angewiesen, das Rubrum zu berichtigen, dazu die erste Seite des Schriftsatzes auszutauschen und die Berufungsschrift anschließend per Fax an das LG zu übermitteln. Zusätzlich habe er auf der zweiten Seite des Schriftsatzes einen gelben Klebezettel mit dem Vermerk angebracht: "falscher Berufungskläger – austauschen H. V.". Versehentlich habe F den unterzeichneten Schriftsatz ohne Änderung des Namens des Berufungsklägers an das Gericht gefaxt. F sei eine geschulte und sehr zuverlässige Angestellte, die, wie regelmäßige Kontrollen durch ihn ergeben hätten, Anweisungen bisher stets sorgfältig und ohne Beanstandungen ausgeführt habe. Die ablehnenden Entscheidungen der Vorinstanzen hat der BGH jetzt aufgehoben.

 

Entscheidung

Der BGH sieht die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz[1] verletzt. Denn bei der Entscheidung, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Fehlern des Rechtsbeistandes versagt werden kann, ist allein auf die höchstrichterliche Rechtsprechung abzustellen. Die Sorgfaltspflichten dürfen nicht überspannt werden[2]. Die Säumnis ist nach der allgemeinen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Rechtsanwalt einer bisher zuverlässigen Angestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte[3].

Ein Rechtsbeistand darf darauf vertrauen, dass eine in der Vergangenheit verlässliche Büroangestellte eine konkrete Einzelanweisung befolgt[4]. Er muss die ordnungsgemäße Ausführung der Korrektur dann nicht überprüfen. Eine derartige besondere Kontrolle wäre nur dann notwendig gewesen, wenn die Rechtsmittelschrift mehrere für die Zulässigkeit relevante Fehler aufgewiesen hätte[5]. Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor. Wenn der Rechtsmittelschriftsatz entsprechend der Anweisung korrigiert worden wäre, hätte er den gesetzlichen Anforderungen zweifelsfrei genügt.

 

Praxishinweis

Mängel der Parteibezeichnung in Rechtsmittelschriften sind nach allgemeiner Auffassung dann unbeachtlich, wenn sie in Anbetracht der jeweiligen Umstände keinen vernünftigen Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers oder des Rechtsmittelbeklagten offen lassen[6]. So ist es für die "richtige" Identifizierung grundsätzlich ohne Belang, wenn eine Prozesspartei statt als "Berufungsklägerin" versehentlich als "Berufungskläger" bezeichnet wird. Es genügt, wenn der Schriftsatz die Partei namentlich und mit zutreffender Angabe ihrer Wohnungsanschrift benennt.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Beschluss vom 9.12.2003, VI ZB 26/03

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