Leitsatz

Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist, wenn innerhalb der Anfechtungsfrist das Versammlungsprotokoll noch nicht fertig gestellt ist oder dem Eigentümer eine Einsichtnahme nicht ermöglicht wird (Krankenhausaufenthalt des Verwalters)

 

Normenkette

(§§ 23 Abs. 4, , 24 Abs. 6 WEG; , § 22 Abs. 2 FGG)

 

Kommentar

  1. Einem Wohnungseigentümer ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG (unverschuldete Fristversäumung) zu gewähren, wenn innerhalb der Anfechtungsfrist das Versammlungsprotokoll noch nicht fertig gestellt ist oder dem Wohnungseigentümer eine Einsichtnahme nicht ermöglicht wird.
  2. Selbst wenn ein Verschulden eines Antragstellers vorliegen sollte, kann Wiedereinsetzung gleichwohl gewährt werden, wenn glaubhaft gemacht ist, dass sich das Verschulden nicht kausal auf die Fristversäumung ausgewirkt haben kann. Vorliegend war es aufgrund eines Krankenhausaufenthalts des Verwalters naheliegend, dass das Protokoll bei Ablauf der Anfechtungsfrist noch nicht vorlag. Insoweit kann ein Antragsteller dann auch nicht auf eine etwaige Einsichtnahme verwiesen werden. Selbst bei entsprechenden Bemühungen hätte der Antragsteller eine Einsichtnahme nicht erreichen können. I. Ü. muss ein Antragsteller nicht von sich aus Einsichtnahme fordern; vielmehr ist es eine zu erwartende Pflicht des Verwalters nach Treu und Glauben, wenn er eine Protokollversendung auf Anforderung hin ablehnt, auf die Möglichkeit der Einsichtnahme ausdrücklich hinzuweisen. Gibt ein Verwalter dem Eigentümer keine Antwort oder vertröstet er ihn, so kann daraus, dass Übersendung statt Einsicht begehrt wird, kein Verschulden eines Eigentümers abgeleitet werden. Eine Anfechtung von Beschlüssen ins Blaue hinein, ohne zuverlässige Kenntnis von deren Inhalt, ist i. Ü. einem Wohnungseigentümer nicht zuzumuten (KG, ZMR 2002, 548 (549)).
  3. Außergerichtliche Kostenerstattungspflicht zu Lasten des weiteren Beteiligten (des Verwalters) im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren (materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch aus schuldhafter Verwaltervertragsverletzung wegen unterlassener Auskunftserteilung über gefasste Beschlüsse trotz wiederholter Anfragen des antragstellenden Eigentümers); Geschäftswert 3.000 EUR.
 

Link zur Entscheidung

(BayObLG, Beschluss vom 17.01.2003, 2Z BR 130/02)

Anmerkung

Nicht beschäftigt hat sich überraschenderweise das BayObLG mit einer neuen Literaturmeinung, die – entgegen bisher h.R.M. – eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Säumnis einer Beschlussanfechtungsfrist mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung und nicht anwendbarer Analogie zu Beschwerdefristsäumnissen ganz generell ablehnt (vgl. Merle/Becker, FS für Deckert, S. 231ff. m.w.N.).

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