Leitsatz
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.
Nicht amtlich:
Der Steuerbarkeit der Leistungen einer öffentlichrechtlichen Körperschaft steht nicht entgegen, dass die Leistungen in der Wahrnehmung von Aufgaben besteht, die aus Gründen des Gemeinwohls und unabhängig von jedem unternehmerischen oder geschäftlichen Ziel durch Gesetz zugewiesen und geregelt werden.
Normenkette
Art. 4 Abs. 1-2, 5 EWGRL 388/77
Sachverhalt
Rechtshilfe aus staatlichen Mitteln wird in Finnland unter Bedingungen gewährt, die denen der Prozesskostenhilfe ähnlich sind: Der Staat unterhält jedoch – auch – Rechtshilfebüros, die staatlich, aber auch durch den dem Antragsteller je nach Einkommen auferlegten Kostenbeitrag finanziert werden. Es kann auch ein privater Rechtsanwalt beigeordnet werden, der dann in gleichem Verhältnis anteilig vom Staat und vom Klienten bezahlt wird.
Die Kommission sah einen Wettbewerbsverstoß darin, dass die Leistungen der Rechtshilfebüros nicht versteuert wurden.
Entscheidung
Der EuGH wies die Kommissionsklage zurück. Die Büros würden zwar nachhaltig und gegen Entgelt tätig, weil die Empfänger der Rechtshilfeleistung eine Vergütung an diese Büros zu leisten hat. Diese Teilvergütung, die die Empfänger der Rechtshilfeleistungen an die öffentlichen Büros zahlen, hänge aber nur teilweise vom tatsächlichen Wert der Dienstleistungen ab und der Zusammenhang mit diesen sei umso lockerer, je geringer die Einkünfte und das Vermögen der Empfänger seien. Sie sei eher einer Gebühr vergleichbar, deren Erhebung für sich allein einer Tätigkeit keinen wirtschaftlichen Charakter verleihen kann, als einem Entgelt.
Der Zusammenhang zwischen den von den öffentlichen Büros erbrachten Rechtshilfeleistungen und dem von den Empfängern zu entrichtenden Gegenwert weise daher nicht die erforderliche Unmittelbarkeit auf, um diesen Gegenwert als ein Entgelt für die Dienstleistungen und damit diese als wirtschaftliche Tätigkeiten i.S.d. Art. 2 Nrn. 1 und 4 Abs. 1 und 2 der 6. EG-RL ansehen zu können. Die Kommission habe die Behauptung eines unmittelbaren Zusammenhangs nicht näher ausgeführt und keinerlei Belege dafür vorgelegt.
Hinweis
Die Rechtssache betrifft eine Besonderheit des Rechtshilfesystems in Finnland.
1. Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit (Tätigkeit als Unternehmer) ist weit und unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis zu betrachten: Eine wirtschaftliche Tätigkeit liegt vor, wenn sie nachhaltig ist und gegen ein Entgelt ausgeübt wird, das derjenige erhält, der die Leistung erbringt. Der Erhalt eines Entgelts für sich allein verleiht der Tätigkeit noch nicht einen wirtschaftlichen Charakter (vgl. die Versteigerung der UMTS-Lizenzen). "Gegen Entgelt" erbracht wird eine Leistung nur, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet.
2. Weil der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit objektiven Charakter hat (Zweck und Ergebnis unerheblich ist), ist es auch unerheblich, dass die Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in der Wahrnehmung von Aufgaben besteht, die aus Gründen des Gemeinwohls und unabhängig von jedem unternehmerischen oder geschäftlichen Ziel durch Gesetz zugewiesen und geregelt werden. Eine wirtschaftliche Tätigkeit kann deshalb z.B. auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ausüben, wenn sie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage – "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" – gegen Gebühren tätig wird. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob sie deswegen nicht als Steuerpflichtiger/Unternehmer gilt, weil Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL bzw. § 2 Abs. 3 UStG dies ausdrücklich regeln.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil 29.10.2009 – C-246/08 – Kommission-Republik Finnland –