Leitsatz

  1. Landesgesetz kann gesamtschuldnerische persönliche Haftung der Wohnungseigentümer (als Miteigentümer des Grundstücks) für Entgeltforderungen des Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsamtes anordnen
  2. § 10 Abs. 6 und Abs. 8 WEG n.F. stehen einer solchen Haftungsregelung nicht entgegen
 

Normenkette

§ 10 Abs. 6 und 8 WEG n.F.; §§ 5 Abs. 2 und 8 Abs. 1 KrW-/AbfG – Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Berlin –; §§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 5 Abs. 1 Satz 1 StrReinG – Straßenreinigungsgesetz Berlin –

 

Kommentar

  1. Die Klägerin ist Anstalt des öffentlichen Rechts und betreibt in Berlin die Abfallentsorgung und Straßenreinigung. Sie forderte von dem Beklagten als Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft in Gesamtschuld das Entgelt für die Straßenreinigung und Abfallentsorgung im Jahr 2003.

    Für die Abfallbesitzer besteht Anschluss- und Benutzungszwang (§ 5 Abs. 2 KrW-/AbfG); die Kosten hierfür sind durch privatrechtliche Entgelte abzudecken (§ 8 KrW-/AbfG). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Straßenreinigungsgesetzes Berlin obliegt dem Land die ordnungsgemäße Reinigung der in Straßenreinigungsverzeichnissen aufgeführten Straßen als öffentliche Aufgabe für die Anlieger und Hinterlieger. Als Anlieger zählen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Straßenreinigungsgesetz die Eigentümer der an eine öffentliche Straße angrenzenden Grundstücke. Die Kosten der Straßenreinigung sind zu 75 % durch Entgelte zu decken. Sind für ein Grundstück mehrere Personen entgeltpflichtig, haften sie als Gesamtschuldner. Vorliegend ging es um eine Zahlungsforderung in Höhe von 6.278,28 EUR.

  2. Der klägerische Anspruch ergibt sich aus dem zwischen der Klägerin und ihren Kunden bestehenden privatrechtlichen Benutzungsverhältnis. Dieses kommt durch den gesetzlich angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang und die privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zustande. Auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihren Kunden ist Werkvertragsrecht jedenfalls analog anwendbar.

    Zu Grundstückseigentümern gehören auch die Wohnungseigentümer, für deren Anlage die Klägerin Reinigungs- und Entsorgungsleistungen erbringt.

  3. Die Bestimmungen des KrW-/AbfG und des StrReinG stehen nicht in Widerspruch zu höherrangigem Bundesrecht in § 10 Abs. 6 und 8 WEG. Die seit 1.7.2007 neuen Vorschriften in § 10 Abs. 6 und 8 WEG gelten auch für die bereits vor ihrem Inkrafttreten entstandenen Wohnungseigentümergemeinschaften, da sie zum materiellen Recht gehören und eine dem § 62 Abs. 1 WEG entsprechende Übergangsvorschrift fehlt (vgl. BGH, Beschluss v. 27.9.2007, NJW 2007, S. 3492; Briesemeister, ZWE 2007, S. 245, 247; Bärmann/Merle, WEG, 10. Aufl., § 62 Rn. 2; a.A. ohne Begründung OLG München, Beschluss v. 26.7.2007, NJW-RR 2008, S. 321 mit ablehnender Anmerkung von Abramenko bei IBR-Online).

    Der BGH hat mit Entscheidung vom 12.7.2006 (ZMR 2006, S. 785) die Frage noch offengelassen, ob die Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft einer gesamtschuldnerischen persönlichen Haftung der einzelnen Eigentümer auch in Rechtsverhältnissen mit öffentlich-rechtlichem Anschluss- und Benutzungszwang entgegensteht. Der Senat verneint nun im vorliegenden Fall diese Frage.

    Im Beschluss des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (vom 2.6.2005) wurde ausgeführt, dass neben der Haftung des teilrechtsfähigen Verbands eine gesamtschuldnerische Haftung der Eigentümer (nur) in Betracht komme, wenn sich Eigentümer neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet hätten oder der Gesetzgeber dies ausdrücklich angeordnet habe. Im kommunalen Abgabenrecht handelt es sich bei dort geregelter Gesamtschuldhaftung um eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers im Sinne dieser BGH-Entscheidung (vgl. auch BVerwG, Beschluss v. 11.11.2005, NJW 2006, S. 791 sowie BayVGH, ZMR 2007, S. 316, der allerdings im konkreten Fall aus anderen Gründen eine Gesamtschuldhaftung verneint hat; Briesemeister, NZM 2007, S. 225, 229, 230 – Riecke/Schmid/Elzer, WEG 2. Aufl., § 10 Rn. 496; a.A. Sauren, ZMR 2006, S. 750).

    Auch aus den Gesetzesmaterialien zu § 10 Abs. 6 WEG n.F. ergibt sich kein Hinweis, dass durch Gesetz nicht eine abweichende Haftung begründet oder bestimmt werden könnte. Eine solche Haftung kann auch im Rahmen der Kompetenz des Landesgesetzgebers, d.h. durch erlassenes Landesrecht geschehen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber in die Kompetenzen der Landesgesetzgeber eingreifen wollte, die Gebührentatbestände an das Grundstücks- oder Wohnungseigentum anzuknüpfen.

    Wenn damit persönliche Verpflichtungen durch das Gesetz begründet worden sind, greift auch die quotale Haftung gemäß § 10 Abs. 8 WEG nicht. Dort geht es um Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die während ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinschaft entstanden oder während dieses Zeitraums fällig geworden sind. Die Haftungsbegrenzung greift allerdings nicht, wenn im Landesrecht eine Gesamtschuld der Wohnungseigentümer in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des Grundstücks gesetzlich vorgeseh...

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