Leitsatz
Klagt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ist § 215 VVG nicht anzuwenden.
Normenkette
§ 215 VVG
Das Problem
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K verklagt Versicherer B unter Berufung auf § 215 VVG am Ort der Wohnungseigentumsanlage in Potsdam.
(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.
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Der in Köln ansässige Versicherer V meint, § 215 VVG sei nicht einschlägig. Die Klage müsste daher in Köln erhoben werden. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beantragt daraufhin hilfsweise, den Rechtsstreit an das LG Köln zu verweisen.
Die Entscheidung
Das LG Potsdam verweist den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an das LG Köln. Gemäß § 17 ZPO sei das LG Köln zuständig.
§ 17 ZPO. Allgemeiner Gerichtsstand juristischer Personen
(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.
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- § 215 VVG ändere nichts. Diese Bestimmung sei auf eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern nicht anwendbar. § 215 Abs. 1 VVG "passe" nicht unmittelbar für juristische Personen, weil diese keinen Wohnsitz oder Aufenthalt haben. Aus demselben Grund scheide auch eine unmittelbare Anwendung auf andere rechtsfähige Personen, Vereinigungen insbesondere also Personengesellschaften aus.
- Auch eine Analogie auf Personengesellschaften bzw. eine korrigierende Auslegung, nach der statt des Wohnsitzes der Gesellschaftssitz nach § 17 ZPO maßgeblich ist, sei abzulehnen. Die Gesetzesbegründung lasse sich dafür nicht anführen. Dort sei zwar – wie auch im Gesetz selbst – nur allgemein vom "Versicherungsnehmer" die Rede. Der ausdrückliche Hinweis auf die verbraucherschützende Wirkung der Gerichtsstandsregelung deute aber darauf hin, dass der Gesetzgeber vor allem die typischen Interessen von natürlichen Personen im Blick habe. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung bestünden im Hinblick auf die mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen verbundenen Schwierigkeiten Unterschiede zwischen natürlichen Personen und Personenzusammenschlüssen: Einer Personenmehrheit werde die Rechtsdurchsetzung an einem von ihrem Sitz verschiedenen Ort oftmals leichter möglich sein, als einer natürlichen Person die Erhebung einer wohnortfernen Klage bzw. einer wohnortfernen Inanspruchnahme. Außerdem sei die Bindung einer juristischen Person an ihren Sitz nicht mit derjenigen einer natürlichen Person an ihrem Wohnsitz vergleichbar; entsprechend geringer seien deshalb auch die Vorteile zu veranschlagen, die sich aus einer Anknüpfung an den Sitz im Sinne des § 17 ZPO ergeben würden.
Kommentar
- Wird eine Versicherung in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum geschlossen, ist zu unterscheiden. Versicherungsnehmerin ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Versicherter sind hingegen die Wohnungseigentümer als Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums.
Ob in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum eine Versicherung geschlossen wird, steht nur teilweise im Ermessen der Wohnungseigentümer:
- Eine Feuerversicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert sowie die angemessene Versicherung der Wohnungseigentümer gegen Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtrisiken kann jeder Wohnungseigentümer verlangen. Für das "Wie" haben die Wohnungseigentümer dann allerdings ein Ermessen (die Antwort auf die Frage, mit welchem Versicherungsunternehmen zu welchen Konditionen eine Versicherung geschlossen wird, gibt das Gesetz nicht vor).
- Für alle anderen Versicherungen in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum besteht hingegen für das "Ob"und das "Wie" ein Ermessen. Ein Wohnungseigentümer kann solche Versicherungen nur verlangen, wenn sich ausnahmsweise das Ermessen der Wohnungseigentümer insoweit auf Null reduziert hat.
- Der Bundesgerichtshof sieht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer grundsätzlich als Verbraucherin an. Es hätte daher meines Erachtens nahe gelegen, § 215 VVG anzuwenden. Wären – wie früher – noch die Wohnungseigentümer Versicherungsnehmer gewesen, wäre § 215 VVG anwendbar. Die WEG-Reform hat daran nichts ändern wollen.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Der Verwalter kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ohne Weiteres vor einem Gericht vertreten, wenn ein Dritter oder ein Wohnungseigentümer die Gemeinschaft verklagt hat. Will die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hingegen klagen – so war es im Fall –, muss der Verwalter zur Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus...