1 Leitsatz

Die durch den Verwalter vertretene Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nicht berechtigt, gegen den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats vorzugehen, wenn dieser eine Versammlung einberuft.

2 Normenkette

§§ 9a, 9b, 24 Abs. 3 WEG

3 Das Problem

Der Verwalter kündigt namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Schreiben vom 3.9.2021 an, zu einer Versammlung am 27.10.2021 zu laden. Am 7.9.2021 verlangt der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats, dass der Verwalter die Versammlung bereits zum 28.9.2021 einberuft und dort über die Abberufung des Verwalters beschlossen wird.

Am 13.9.2021 lädt der Verwalter die Wohnungseigentümer entsprechend seiner Ankündigung. Auf der Tagesordnung ist als Gegenstand u. a. seine Abberufung aufgeführt. Der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats lädt daraufhin mit Schreiben vom 30.9.2021 zu einer außerordentlichen Versammlung am 19.10.2021 ein. Hauptgegenstand dieser Versammlung soll ein "Verwalterwechsel" sein.

Gegen diese Einberufung geht die durch den Verwalter vertretene Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Wege der einstweiligen Verfügung mit dem Antrag vor, dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats zu untersagen, eine Versammlung einzuberufen und durchzuführen.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Das AG ist der Ansicht, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei schon nicht befugt, gegen den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats vorzugehen. Wenn der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats, gestützt auf § 24 Abs. 3 WEG, eine Versammlung einberufe, handele er als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Eine Klage oder – wie im Fall – der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, sei daher gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Daraus ergebe sich, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht klagen könne. Ein "Insichprozess" sei nämlich unzulässig.

5 Hinweis

Problemüberblick

Beruft der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats, sein Vertreter oder ein dazu ermächtigter Wohnungseigentümer nach § 24 Abs. 3 WEG eine Versammlung ein, handeln sie jeweils als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Verletzen sie dabei ihre Rechte, ist zu fragen, wer dies rügen kann. Das AG entscheidet sich gegen eine Kompetenzschutzklage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Diese Sichtweise dürfte aber nicht unumstritten sein.

Klage wegen Kompetenzüberschreitungen (Kompetenzschutzklage)

Das Recht, die Versammlung einzuberufen, ist das Recht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht das Recht des Verwalters oder eines anderen Organs. Wird dieses Recht verletzt, sollte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dieses schützen können. Denn das Organ repräsentiert sie und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss nach § 31 BGB für das Organ einstehen. Vor diesem Hintergrund sind wenigstens 3 Lösungen möglich: Entweder kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in diesem Fall die Person und nicht das Organ verklagen. Oder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist es – wie es das AG annimmt – versagt, zu klagen, und es muss ein Wohnungseigentümer klagen. Oder man nimmt an, dass sowohl ein Wohnungseigentümer als auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer klagen können. Ich selbst halte es mit der 3. Lösung, die im Gesellschaftsrecht vertreten wird. Einem Wohnungseigentümer, aber auch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sollte es also möglich sein, gegen den pflichtwidrig handelnden Amtsträger vorzugehen (siehe dazu näher Elzer, ZMR 2021, S. 953 ff.).

6 Entscheidung

AG Mainz, Beschluss v. 15.10.2021, 73 C 30/21

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