Alexander C. Blankenstein
Im Vorfeld einer Beschlussfassung ist nicht vorauszusehen, wie viele Wohnungseigentümer für eine Maßnahme der baulichen Veränderung stimmen werden. Dies steht erst dann fest, wenn der Versammlungsleiter das Beschlussergebnis verkündet hat. Hier stellt sich das Problem, dass Wohnungseigentümer u. U. unter der Voraussetzung zugestimmt haben, dass eine Kostenverteilung unter allen Wohnungseigentümern erfolgen werde, was aber nicht der Fall ist, wenn tatsächlich nicht mehr als 2/3 der Wohnungseigentümer für die Maßnahme gestimmt haben.
In solchen Fällen ist zu beachten, dass die Stimmabgabe, soweit sie dem Versammlungsleiter zugegangen ist, entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht mehr widerrufen werden kann. Sie kann zwar, da sie den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften für Willenserklärungen unterliegt, gemäß §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Eine wegen Irrtums angefochtene Stimmabgabe muss aber unverzüglich nach Kenntniserlangung des Anfechtungsgrunds erfolgen und hat im Übrigen keine Auswirkungen auf die Stimmabgabe der anderen Wohnungseigentümer. Solcherlei Unsicherheiten sollte sich ein vorausschauender Verwalter nicht aussetzen und deshalb von vornherein für ein geeignetes Abstimmungsverfahren sorgen.
Subtraktionsmethode
Zunächst bietet sich mit Blick auf die Problematik des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG die Subtraktionsmethode an. Soweit durch Gemeinschaftsordnung oder Eigentümerbeschluss nichts anderes geregelt ist, kann der Leiter einer Wohnungseigentümerversammlung das tatsächliche Ergebnis einer Abstimmung dadurch feststellen, dass er bereits nach der Abstimmung über 2 von 3 – auf Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung gerichtete – Abstimmungsfragen die Zahl der noch nicht abgegebenen Stimmen als Ergebnis der 3. Abstimmungsfrage wertet. Zur Feststellung eines Beschlussergebnisses ist es also nicht erforderlich, beispielsweise die Ja-Stimmen ausdrücklich abzufragen, wenn sich deren Zahl bereits aufgrund entsprechender Abstimmungsfragen zu Gegenstimmen und Enthaltungen ergibt.
Durch die Subtraktionsmethode kann das tatsächliche Abstimmungsergebnis allerdings nur dann hinreichend verlässlich ermittelt werden, wenn für den Zeitpunkt der jeweiligen Abstimmung die Anzahl der anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer und – bei Abweichung vom Kopfprinzip – auch deren Stimmkraft feststeht. Selbstverständlich kann eine unterlassene Stimmabgabe zu den beiden ersten Abstimmungsfragen nur dann als Votum für die 3. Abstimmungsfrage verstanden werden, wenn der betreffende Wohnungseigentümer zum Zeitpunkt der Abstimmung in der Versammlung zugegen war. Des Weiteren kann etwa auch die "Passivität" eines während der Versammlung eingeschlafenen Wohnungseigentümers mangels willensgetragenen Verhaltens nicht als Stimmabgabe gewertet werden.
Subtraktionsmethode
Soll über die Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems an der Fassade der Wohnanlage Beschluss gefasst werden und sind von den 20 Wohnungseigentümern 15 in der Versammlung anwesend, von denen dann 5 bei der Abfrage der "Nein"-Stimmen ihre Hand heben, wird für die übrigen Wohnungseigentümer erkennbar, dass das qualifizierte Quorum mit der Folge einer Kostenverteilung unter sämtlichen Wohnungseigentümern nicht erreicht wird. Denn die übrigen 10 Wohnungseigentümer stellen zwar 2/3 der Wohnungseigentümer dar, aber eben nicht mehr als 2/3 von ihnen, wie es § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG erfordert. Wollen diese 10 Wohnungseigentümer oder auch nur einer von ihnen für den Fall des Zustandekommens eines einfachen Mehrheitsbeschlusses nicht mit den Kosten der Maßnahme belastet werden, können sie ebenfalls noch ihre Hand erheben, sodass ihre Stimme als "Nein"-Stimme gewertet werden kann.
Bedingte Beschlussfassung
Empfehlenswert kann auch eine derart bedingte Beschlussfassung sein, dass die dem Beschlussantrag zustimmenden Wohnungseigentümer nur entsprechend ihres Miteigentumsanteils in die Kostenverteilung einbezogen werden. Sie können dann bedenkenlos für die Maßnahme stimmen. Zur Maßnahmendurchführung ist es dann letztlich erforderlich, dass alle abgegebenen Stimmen für die Maßnahme votieren müssen. Wenn also auch die bauwilligen Wohnungseigentümer im Fall des Nichterreichens des doppelt qualifizierten Quorums nicht anteilig mit den auf die nichtzustimmenden Wohnungseigentümer entfallenden Kostenanteil belastet werden wollen, kann die Baumaßnahme nicht durchgeführt werden.