Leitsatz
Kündigt der Insolvenzverwalter/Treuhänder die Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft, um damit das der Masse gebührende Auseinandersetzungsguthaben zu realisieren, hat der Schuldner keinen Anspruch auf Auskehrung des Teils des Guthabens, den er als Kaution für die von ihm bewohnte Wohnung benötigt.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
GenG § 66; InsO § 109 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 765a
Kommentar
Nachdem über das Vermögen der Mieterin einer Genossenschaftswohnung das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hat der Treuhänder (Insolvenzverwalter) die von der Mieterin gehaltenen Genossenschaftsanteile gekündigt, um das Auseinandersetzungsguthaben der Insolvenzmasse zuzuführen. Die Wohnungsgenossenschaft hat ihrerseits das bestehende Mietverhältnis gekündigt und der Mieterin zugleich angeboten, gegen Zahlung einer Kaution von 585 EUR ein neues Mietverhältnis abzuschließen. Dieses Angebot hat die Mieterin angenommen. Die Kaution hat sie über ein Darlehen finanziert; die Rückzahlung des Darlehens erfolgt durch Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 25 EUR, die von der Hilfe zum Lebensunterhalt abgezogen werden.
Das Auseinandersetzungsguthaben wurde im Frühjahr 2010 zur Auszahlung fällig. Die Mieterin hat beantragt, den für die Kaution erforderlichen Betrag von 585 EUR an sie auszubezahlen. Diesem Antrag hat das Landgericht stattgegeben. Zur Begründung hierzu ist ausgeführt, dass der Mieterin nach § 765a ZPO insoweit Vollstreckungsschutz zu gewähren sei, als sie das Auseindersetzungsguthaben für den Erhalt der Wohnung benötige.
Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben:
1 Kündigung der Genossenschaftsanteile
Wird über das Vermögen des Mieters einer Genossenschaftswohnung das Insolvenzverfahren eröffnet, kann das Mitgliedschaftsrecht vom Insolvenzverwalter gekündigt werden; das Geschäftsguthaben steht dann den Gläubigern des Mieters zur Verfügung (BGH, Urteil v. 19.3.2009, IX ZR 58/08, NJW 2009 S. 1820). Die Regelung des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO steht der Kündigung nicht entgegen. Ist die Mitgliedschaft beendet, so ist das Geschäftsguthaben an den Insolvenzverwalter auszuzahlen (§ 73 GenG).
2 Kein Pfändungsschutz für Genossenschaftsguthaben
Für das Auseinandersetzungsguthaben besteht kein Pfändungsschutz. Die Regelung des § 765a ZPO ist ebenfalls unanwendbar. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter das Guthaben oder einen Teil hiervon zum Erhalt der Wohnung benötigt. Dem Mieter ist es zuzumuten, insoweit öffentliche Hilfen in Anspruch zu nehmen.
Berechtigtes Interesse des Vermieters
Die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses setzt gem. § 573 Abs. 1 BGB voraus, dass der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ob ein solches Interesse bereits dann zu bejahen ist, wenn der Insolvenzverwalter das Geschäftsguthaben gekündigt hat, ist zweifelhaft und obergerichtlich noch nicht geklärt.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss v. 2.12.2010, IX ZB 120/10, WuM 2011 S. 40