Nils Neuwerth, Dipl.-Kfm. Hans-Joachim Rux
1.2.1 Auslegung
Rz. 731
In der Praxis werden neu eintretenden Kommanditisten von den Gründungsgesellschaftern bereits fertig formulierte Gesellschaftsverträge vorgelegt, auf deren Inhalt die Kommanditisten keinen Einfluss mehr haben. Derartige Gesellschaftsverträge werden von der Rechtsprechung nach rein objektiven Kriterien ausgelegt. Maßgeblich ist allein der schriftliche Inhalt des Vertrages. Vorstellungen der Gründungsgesellschafter, die in dem Vertrag keinen Niederschlag gefunden haben, sind nicht zu berücksichtigen. Die Pflichten der Kommanditisten müssen im Gesellschaftsvertrag unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Bei fehlender Eindeutigkeit werden Klauseln, die die Kommanditisten ungewöhnlich belasten, restriktiv ausgelegt. So wurde die Bestimmung in dem Gesellschaftsvertrag einer Publikums-KG, nach der die Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen zur Erhöhung ihrer Einlagen verpflichtet sind, einschränkend dahin gehend ausgelegt, dass die Erhöhung nur gefordert werden kann, solange das zusätzliche Kapital für den Betrieb des Unternehmens, also zur Erreichung des Gesellschaftszwecks bestimmt ist.
Rz. 732
Grundsätzlich müssen auch alle gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen, die der Gesellschaft gegenüber Gründungsgesellschaftern auferlegt werden und diesen Vorteile verschaffen sollen – sog. Gründervorteile (z. B. Tätigkeitsvergütungen) –, in den schriftlich festgelegten Gesellschaftsvertrag oder in einen ordnungsgemäß zustande gekommenen und protokollierten Gesellschafterbeschluss aufgenommen werden. Die Kapitalanleger sollen darauf vertrauen dürfen, dass Vorteile zugunsten der Gründer, über die diese Urkunden nichts aussagen, auch nicht vereinbart sind. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Kapitalanleger nicht unmittelbar, sondern über einen Treuhänder an der Gesellschaft beteiligt ist.
1.2.2 Inhaltskontrolle
Rz. 733
Die Gesellschaftsverträge der Publikumsgesellschaften unterliegen einer richterlichen Inhaltskontrolle. Der BGH sieht die Interessenlage ähnlich wie die bei dem Gebrauch von allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formularverträgen. Auch hier bestünde ein Bedürfnis, die mit den fertig formulierten Gesellschaftsverträgen konfrontierten Anlegergesellschafter vor einem unter diesen Umständen leicht möglichen Missbrauch der Vertragsfreiheit zu schützen.
Rz. 734
Die Inhaltskontrolle ist an den Maßstäben von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgerichtet, wobei es im Einzelnen fraglich ist, welcher Maßstab anzulegen ist, wenn geprüft wird, ob eine Klausel unangemessen ist. Die bei den Austauschverträgen entwickelten Grundsätze können nur mit Vorsicht übertragen werden, da hier – anders als bei Austauschverträgen – die Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und einzelnen Gesellschaftern und Gesellschaftergruppen miteinander verflochten sind. Unter Umständen spielt ein gewisser Vertrauensschutz zugunsten der an der Vertragsformulierung nicht beteiligten Kommanditisten bei der Abwägung nach Treu und Glauben eine Rolle.
Rz. 735
Vielfach hat die Rechtsprechung die Inhaltskontrolle an das Aktienrecht angelehnt. So sind z. B. an den Aufsichtsrat einer Publikums-KG ähnliche Anforderungen wie an den Aufsichtsrat einer AG zu stellen. Allerdings komme keine "sklavische Übernahme aktienrechtlicher Vorschriften in Betracht". Der Umstand, dass die Publikums-KG eine Personenhandelsgesellschaft ist, gebiete es, bei der Übernahme aktienrechtlicher Regelungen und Grundsätze Vorsicht obwalten zu lassen und in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Analogie nicht die konkrete Ausgestaltung des zu beurteilenden Gesellschaftsverhältnisses entgegensteht. Die Anwendbarkeit aktienrechtlicher Normen scheidet auch dann aus, wenn sie Gläubigerschutzvorschriften beeinträchtigt, da dem Gläubigerschutz bei einer Publikumsgesellschaft besondere Bedeutung zukommt.