Nils Neuwerth, Dipl.-Kfm. Hans-Joachim Rux
1.5.1.1 Arglistige Täuschung
Rz. 743
Die Anfechtung des Beitritts wegen arglistiger Täuschung lässt die Wirksamkeit des Beitritts rückwirkend nicht beseitigen. Denn nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur fehlerhaften Gesellschaft ist es dem Getäuschten nicht möglich, seinen Eintritt durch Anfechtung rückwirkend zu beseitigen.
Rz. 744
In einem solchen Fall ist es für den arglistig getäuschten Kommanditisten bei einer gegebenenfalls langen Kündigungsfrist unzumutbar, auf das ordentliche Kündigungsrecht verwiesen zu werden. Auch der Verweis auf die dem Gesellschafter weiterhin mögliche Auflösungsklage gemäß §§ 133, 161 Abs. 2 HGB führt zu keinem befriedigenden Ergebnis. Denn wenn der wichtige Grund nicht bei sämtlichen Gesellschaftern gleichermaßen, sondern nur bei einem einzelnen Gesellschafter mit einer verhältnismäßig geringen Kapitalbeteiligung vorliegt, ist die Auflösung der Gesellschaft im Hinblick auf das Interesse der übrigen Gesellschafter am Bestand der Gesellschaft unangemessen. Der Kommanditist einer Publikums-KG soll in einem solchen Fall auch nur berechtigt sein, seine Beteiligung mit sofortiger Wirkung zu kündigen.
1.5.1.2 Unerreichbarkeit des Gesellschaftszwecks
Rz. 745
Grundsätzlich steht dem Kommanditisten in einer Publikumsgesellschaft auch bei Vorliegen anderer wichtiger Gründe ohne gesellschaftsvertragliche Bestimmung ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Jedoch gibt nicht jeder wichtige Grund i. S. d. § 133 HGB die Möglichkeit, fristlos zu kündigen. So hat der BGH entschieden, dass die Unerreichbarkeit des Gesellschaftszwecks wegen eines inzwischen eingetretenen finanziellen Zusammenbruchs der Gesellschaft zwar ein wichtiger Grund i. S. d. § 133 HGB ist und somit einem Kommanditisten die Möglichkeit gibt, die Gesellschaft per Auflösungsklage gemäß §§ 133, 161 Abs. 2 HGB zu beenden. Dieser Grund gibt dem Kommanditisten aber kein außerordentliches Kündigungsrecht, da er alle Gesellschafter gleichermaßen trifft. Billigte man dem einzelnen Gesellschafter auch hier ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, würde dies bedeuten, dass praktisch jeder Kommanditist das Recht und die Möglichkeit hätte, durch einfache Kündigung aus der Gesellschaft auszuscheiden. "Das wiederum würde eine allgemeine Flucht aus der Gesellschaft begünstigen und dazu führen, dass die Last und Verantwortung für die etwa notwendig werdende Liquidation der Gesellschaft und das damit verbundene Risiko den jeweils verbleibenden Gesellschaftern aufgebürdet würde, die nicht weniger als der Kündigende von dem Auflösungsgrund betroffen sind. Das aber wäre unbillig und stünde im Widerspruch dazu, dass der einzelne Gesellschafter mit seinem Beitritt in die Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern eine Risikogemeinschaft eingegangen ist."
Rz. 746
Unter besonderen Umständen hat der BGH einzelnen Kommanditisten auch im Fall der Unerreichbarkeit des Gesellschaftszwecks ein außerordentliches Kündigungsrecht zugestanden: Wenn die Gesellschafter mit einer für die Änderung des Gesellschaftsvertrages erforderlichen Mehrheit beschließen, das Gesellschaftsverhältnis mit neuer Zweckrichtung und neuen Beitragsverpflichtungen fortzusetzen, und sich damit gegen die an sich nahe liegende und angebrachte Auflösung der Gesellschaft entscheiden, haben die überstimmten Gesellschafter ein Recht zur fristlosen Kündigung, sofern sie nicht ausnahmsweise verpflichtet sind, einer derartigen Umgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses zuzustimmen.