Detlef Burhoff, Annika Hirsch
Rdn 4252
Literaturhinweise:
Brause, Faires Verfahren und Effektivität im Strafprozeß, NJW 1992, 2865
Dose, Der Sitzungsvertreter und der Wirtschaftsreferent der Staatsanwaltschaft als Zeuge in der Hauptverhandlung, NJW 1978, 349
Kelker, Wohin will der BGH beim Zeugenstaatsanwalt? Zugleich eine Besprechung des BGH-Beschlusses vom 24.10.2007 – 1 StR 480/07, StV 2008, 381
Malmendier, "Konfliktverteidigung" – ein neues Prozeßhindernis?, NJW 1992, 227
Müller-Gabriel, Neue Rechtsprechung des BGH zum Ausschluß des "Zeugen-Staatsanwalts", StV 1991, 235
Schneider, Gedanken zur Problematik des infolge einer Zeugenvernehmung "befangenen" Staatsanwalts, NStZ 1994, 457
s.a. die Hinw. bei → Ablehnung eines Staatsanwalts, Teil A Rdn 43.
Rdn 4253
1. Die Benennung und Vernehmung eines StA als Zeugen, wobei es sich auch um den in der HV amtierenden StA handeln kann, ist grds. zulässig (KK/Bader, vor § 48 Rn 11; s. aber im Hinblick auf einen möglichen Rechtsmissbrauch BGH NStZ 2008, 353). Die Vernehmung eines/des StA als Zeugen kann sich insbesondere dann anbieten, wenn es um verfahrensbezogene Vorgänge, wie z.B. die Umstände (BGHSt 14, 265, 267) oder auch den Inhalt einer im EV durchgeführten Zeugen- und/oder Beschuldigtenvernehmung (restriktiver noch BGHSt 21, 85, 90), das Zustandekommen eines Protokolls oder den Ablauf einer Durchsuchung, oder auch um eine im EV getroffene Absprache/Verständigung geht (zu Absprachen/Verständigungen im EV Burhoff, EV, Rn 125 ff.). Ob das Gericht eine beantragte Vernehmung des StA dadurch umgehen kann, dass es die behaupteten, verfahrensbezogenen Umstände im Freibeweisverfahren klärt, hängt davon ab, ob man das → Freibeweisverfahren, Teil F Rdn 1997, auch dann für zulässig ansieht, wenn die Beweiserhebung die Urteilsgrundlage unmittelbar beeinflusst (so Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 7 m.w.N.). Geht man davon aus, kann das Gericht auf das Freibeweisverfahren z.B. auch dann "ausweichen", wenn es darum geht, ob bei einer Vernehmung zutreffend belehrt worden und die Vernehmung deshalb verwertbar ist oder ob die Voraussetzungen des § 136a vorliegen (dazu Meyer-Goßner/Schmitt, § 136a Rn 32 m.w.N.).
☆ Es empfiehlt sich, den amtierenden StA nur in besonderen Fällen als Zeugen zu benennen. Durch einen solchen Beweisantrag entsteht nämlich schnell der Eindruck, der Verteidiger wolle das Verfahren dadurch sabotieren , dass ein in den Prozessstoff eingearbeiteter StA aus dem Verfahren herausgeschossen werden soll ( Brause NJW 1992, 2869; s.a. BGH NStZ 1989, 583; BGH NStZ 2008, 353). I.d.R. wird der Antrag auf Vernehmung des Sitzungs-StA die Verhandlung auch nicht zum Platzen bringen, da dieser durch einen anderen StA ersetzt werden kann (zu allem Malmendier NJW 1997, 230).amtierenden StA nur in besonderen Fällen als Zeugen zu benennen. Durch einen solchen Beweisantrag entsteht nämlich schnell der Eindruck, der Verteidiger wolle das Verfahren dadurch sabotieren, dass ein in den Prozessstoff eingearbeiteter StA aus dem Verfahren "herausgeschossen" werden soll (Brause NJW 1992, 2869; s.a. BGH NStZ 1989, 583; BGH NStZ 2008, 353). I.d.R. wird der Antrag auf Vernehmung des Sitzungs-StA die Verhandlung auch nicht zum "Platzen" bringen, da dieser durch einen anderen StA ersetzt werden kann (zu allem Malmendier NJW 1997, 230).
Rdn 4254
2. Fraglich ist, ob der StA, wenn er Zeuge ist/wird/war, weiter als Sitzungsvertreter an der HV teilnehmen kann (dazu BGHSt 21, 85; BGH NStZ 2008, 353; NStZ 2018, 482). Insoweit gilt:
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Der Sitzungsvertreter der StA wird nicht schon dadurch zum Zeugen, dass er während der HV Erklärungen abgibt, deren sachbezogener Inhalt für die Entscheidung über den Anklagevorwurf von Bedeutung sein kann (BGH NStZ 1986, 133 [für die Beantwortung einer sachbezogenen Frage des Verteidigers]). |
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Auch die bloße Benennung als Zeuge schließt den StA nicht von einer weiteren Mitwirkung aus (Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 48 Rn 17). |
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Wird der StA als Zeuge vernommen, muss während der Vernehmung die Funktion als Sitzungsvertreter ein anderer StA übernehmen (BGH StV 1996, 469), da ein StA nicht zugleich Zeuge und Sitzungsvertreter sein kann. |
Rdn 4255
Ist der StA als Zeuge vernommen worden, muss nach der in der Rspr. h.M. hinsichtlich der Frage, ob er weiter Sitzungsvertreter sein kann, unterschieden werden:
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Der StA kann weiter als Sitzungsvertreter auftreten, wenn er nur über Vorgänge ausgesagt hat, die sich erst aus seiner dienstlichen Befassung mit der Sache ergeben haben und die die Gestaltung des Verfahrens, wie z.B. die Vernehmung des Angeklagten, betreffen. Außerdem muss ggf. durch Zuziehung eines weiteren StA dafür Vorsorge getroffen worden sein, dass der StA im Schlussvortrag/Plädoyer seine Aussage nicht selbst würdigen muss (BGHSt 14, 265; BGHSt 21, 85, 90; BGH NStZ-RR 2001, 107; NStZ 2018, 482; krit. Müller-Gabriel StV 1991, 235; s.a. Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 48 Rn 17 m.w.N. zur a.A. in der Lit.; Dahs, Rn 678; zur Problematik des infolge einer Vernehmung befangenen StA Schneider NStZ 1994, 457 ff.). |
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