Detlef Burhoff, Annika Hirsch
Rdn 4237
Literaturhinweise:
Fromm, Das krankheitsbedingte Nichterscheinen des Zeugen im Strafprozess, StRR 2013, 364
Häner, Verfahren beim Ausbleiben des gerichtlich geladenen Zeugen, JR 1984, 496
N. Nestler, Die verschleierte Zeugin in der Hauptverhandlung, HRRS 2016, 127.
Rdn 4238
1. Erscheint der ordnungsgemäß geladene Zeuge (dazu § 48 Abs. 2) nicht, kann gem. § 51 Abs. 1 S. 3 seine Vorführung angeordnet werden (BGH, Beschl. v. 28.8.2020 – 2 BGs 645/20, NStZ-RR 2021, 286 für das EV; zur Frage, ob die voll verschleierte Zeugin "erschienen" ist, N. Nestler HRRS 2016, 126 ff.; s. aber hierzu den neuen § 68 Abs. 3 S. 3 und → Vernehmung des Zeugen zur Person, Teil V Rdn 3773). Die Anordnung trifft das Gericht, nicht der Vorsitzende allein (Meyer-Goßner/Schmitt, § 51 Rn 22), und zwar erst recht nicht außerhalb der HV (KG NStZ-RR 2000, 145 m.w.N.; → Zwangsmittel bei Ausbleiben des Angeklagten, Teil Z Rdn 4446). Gegen einen ausgebliebenen Zeugen können auch Fahndungsmaßnahmen nach den §§ 131a ff. ergriffen werden (zu den Voraussetzungen Burhoff, EV, Rn 2470 ff.).
☆ Erscheint ein Zeuge nicht, muss sich der Verteidiger überlegen, ob er auf diesen Zeugen ggf. verzichtet (dazu → Beweisverzicht , Teil B Rdn 1422 ). Das Gericht ist grds. verpflichtet, entweder die Vernehmung des Zeugen in der HV oder eine Entscheidung, wie weiter verfahren werden soll, herbeizuführen (OLG Hamm NJW 1999, 1416 [Ls.; auch zur Beruhensfrage , wenn das Gericht dieser Verpflichtung nicht nachkommt]).verzichtet (dazu → Beweisverzicht, Teil B Rdn 1422). Das Gericht ist grds. verpflichtet, entweder die Vernehmung des Zeugen in der HV oder eine Entscheidung, wie weiter verfahren werden soll, herbeizuführen (OLG Hamm NJW 1999, 1416 [Ls.; auch zur "Beruhensfrage", wenn das Gericht dieser Verpflichtung nicht nachkommt]).
Verzichtet er nicht, wird er weiter prüfen, ob er den nach § 51 Abs. 1 S. 3 zulässigen Antrag stellt, den Zeugen vorführen zu lassen. Das wird davon abhängen, ob zu besorgen ist, der Zeuge werde zum nächsten Termin wiederum nicht erscheinen.
Rdn 4239
2.a) Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der – schuldhaft – in der HV nicht erscheint, sind gem. § 51 Abs. 1 S. 1 die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen, und zwar auch dann noch, wenn das Verfahren schon rechtskräftig abgeschlossen ist (KG NStZ-RR 2006, 288 [Ls.]). Außerdem ist gegen ihn Ordnungsgeld bzw. ersatzweise Ordnungshaft festzusetzen (BVerfG NJW 2002, 955; OLG Köln, Beschl. v. 22.12.2011 – 2 Ws 796/11; zu den Folgen des Nichterscheinens Eisenberg, Rn 1071 ff.; Fromm StRR 2013, 364). Sowohl die Auferlegung der Kosten als auch die Verhängung von Ordnungsgeld sind, anders als die Vorführung, zwingende Folgen des Ungehorsams (Meyer-Goßner/Schmitt, § 51 Rn 14, 16 m.w.N.; s. aber Teil Z Rdn 4241), Nach OLG Hamm NJW-RR 2013, 384 [für das Zivilverfahren] soll die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Zeugen aber nicht mehr in Betracht kommen, wenn sein Ausbleiben folgenlos geblieben ist, also das Verfahren auch ohne den Zeugen zum Abschluss gebracht werden konnte.
Ausländische Zeugen, die sich im Ausland befinden, können nicht zum Erscheinen gezwungen werden (einerseits OLG Düsseldorf NJW 1999, 1647 m.w.N. [kein Ordnungsmittel gegen sich im Ausland aufhaltenden Ausländer]; andererseits OLG Frankfurt am Main NJW 2014, 95 [Ordnungsmittel gegen sich im Ausland aufhaltenden Ausländer, der sich erst nach Erhalt der Ladung ins Ausland begeben hat]).
☆ Ist der Zeuge verhindert , muss er sich so rechtzeitig entschuldigen , dass eine Verlegung des Termins und die Abbestellung der zur Verhandlung geladenen Personen noch möglich ist (OLG Düsseldorf StraFo 2002, 164; OLG Frankfurt am Main NJW 2014, 95). Ob das allerdings immer so frühzeitig geschehen muss, dass die Abladung noch im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb erfolgen kann (so OLG Düsseldorf, a.a.O.), erscheint mir unter Berücksichtigung der modernen Kommunikationsmittel fraglich.verhindert, muss er sich so rechtzeitig entschuldigen, dass eine Verlegung des Termins und die Abbestellung der zur Verhandlung geladenen Personen noch möglich ist (OLG Düsseldorf StraFo 2002, 164; OLG Frankfurt am Main NJW 2014, 95). Ob das allerdings immer so frühzeitig geschehen muss, dass die Abladung noch im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb erfolgen kann (so OLG Düsseldorf, a.a.O.), erscheint mir unter Berücksichtigung der modernen Kommunikationsmittel fraglich.
Ein ärztliches Attest über die Arbeitsunfähigkeit des Zeugen für den Verhandlungstag belegt nicht automatisch eine genügende Entschuldigung, denn Arbeitsunfähigkeit bedeutet nicht auch Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit, worauf es aber für die Teilnahme an der HV ankommt (z.B. LG Stuttgart, Beschl. v. 15.6.2016 – 6 Qs 2/15). Auch berufliche Pflichten sollen einen Zeugen nur unter Anlegung strenger Maßstäbe entschuldigen können (LG Stuttgart, a.a.O. für Rechtsanwalt). Schließlich soll auch eine Urlaubsreise den Zeugen grds. nicht von seiner Pflicht, zur Vernehmung vor Gericht zu erscheine...