Rdn 4133

 

Literaturhinweise:

Fromm, Das krankheitsbedingte Nichterscheinen des Zeugen im Strafprozess, StRR 2013, 364

Häner, Verfahren beim Ausbleiben des gerichtlich geladenen Zeugen, JR 1984, 496

N. Nestler, Die verschleierte Zeugin in der Hauptverhandlung, HRRS 2016, 127.

 

Rdn 4134

1. Erscheint der ordnungsgemäß geladene Zeuge (dazu § 48 Abs. 2) nicht, kann gem. § 51 Abs. 1 S. 2 seine Vorführung angeordnet werden (vgl. a. BGH, Beschl. v. 28.8.2020 – 2 BGs 645/20, NStZ-RR 2021, 286 für das EV; zur Frage, ob die voll verschleierte Zeugin "erschienen" ist, N. Nestler HRRS 2016, 126 ff.; s. aber hierzu den neuen § 68 Abs. 3 S. 3 und → Vernehmung des Zeugen zur Person, Teil V Rdn 3679). Die ­Anordnung trifft das Gericht, nicht der Vorsitzende allein (Meyer-Goßner/Schmitt, § 51 Rn 22), und zwar erst recht nicht außerhalb der HV (KG NStZ-RR 2000, 145 m.w.N.; → Zwangsmittel bei Ausbleiben des Angeklagten, Teil Z Rdn 4336). Gegen einen ausgebliebenen Zeugen können aber auch Fahndungsmaßnahmen nach den §§ 131a ff. ergriffen werden (zu den Voraussetzungen Burhoff, EV, Rn 2414 ff.).

 

☆ Erscheint ein Zeuge nicht, muss sich der Verteidiger überlegen, ob er auf diesen Zeugen ggf. verzichtet (vgl. dazu →  Beweisverzicht , Teil B Rdn  1373 ). Das Gericht ist grds. verpflichtet, entweder die Vernehmung des Zeugen in der HV oder eine Entscheidung, wie weiter verfahren werden soll, herbeizuführen (OLG Hamm NJW 1999, 1416 [Ls.; auch zur Beruhensfrage , wenn das Gericht dieser Verpflichtung nicht nachkommt]).verzichtet (vgl. dazu → Beweisverzicht, Teil B Rdn 1373). Das Gericht ist grds. verpflichtet, entweder die Vernehmung des Zeugen in der HV oder eine Entscheidung, wie weiter verfahren werden soll, herbeizuführen (OLG Hamm NJW 1999, 1416 [Ls.; auch zur "Beruhensfrage", wenn das Gericht dieser Verpflichtung nicht nachkommt]).

Verzichtet er nicht, wird er weiter prüfen, ob er den nach § 51 Abs. 1 S. 3 zulässigen Antrag stellt, den Zeugen vorführen zu lassen. Das wird davon abhängen, ob zu besorgen ist, der Zeuge werde zum nächsten Termin wiederum nicht erscheinen.

 

Rdn 4135

2.a) Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der – schuldhaft – in der HV nicht erscheint, können gem. § 51 Abs. 1 S. 1 die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt werden, und zwar auch dann noch, wenn das Verfahren schon rechtskräftig abgeschlossen ist (KG NStZ-RR 2006, 288 [Ls.]). Außerdem kann gegen ihn Ordnungsgeld/Ordnungshaft festgesetzt werden (BVerfG NJW 2002, 955; OLG Köln, Beschl. v. 22.12.2011 – 2 Ws 796/11; zu den Folgen des Nichterscheinens a. Eisenberg, Rn 1071 ff.; Fromm StRR 2013, 364). Ausländische Zeugen, die sich im Ausland befinden, können nicht zum Erscheinen gezwungen werden (vgl. einerseits OLG Düsseldorf NJW 1999, 1647 m.w.N. [kein Ordnungsmittel gegen sich im Ausland aufhaltenden Ausländer]; andererseits OLG Frankfurt am Main NJW 2014, 95 [Ordnungsmittel gegen sich im Ausland aufhaltenden Ausländer, der sich erst nach Erhalt der Ladung ins Ausland begeben hat]). Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Zeugen soll nicht mehr in Betracht kommen, wenn sein Ausbleiben folgenlos geblieben ist, also das Verfahren auch ohne den Zeugen zum Abschluss gebracht werden konnte (OLG Hamm NJW-RR 2013, 384 für das Zivilverfahren).

 

☆ Ist der Zeuge verhindert , muss er sich so rechtzeitig entschuldigen , dass eine Verlegung des Termins und die Abbestellung der zur Verhandlung geladenen Personen noch möglich ist (OLG Düsseldorf StraFo 2002, 164; OLG Frankfurt am Main NJW 2014, 95). Ob das allerdings immer so frühzeitig geschehen muss, dass die Abladung noch im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb erfolgen kann (so OLG Düsseldorf, a.a.O.), erscheint mir unter Berücksichtigung der modernen Kommunikationsmittel fraglich.verhindert, muss er sich so rechtzeitig entschuldigen, dass eine Verlegung des Termins und die Abbestellung der zur Verhandlung geladenen Personen noch möglich ist (OLG Düsseldorf StraFo 2002, 164; OLG Frankfurt am Main NJW 2014, 95). Ob das allerdings immer so frühzeitig geschehen muss, dass die Abladung noch im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb erfolgen kann (so OLG Düsseldorf, a.a.O.), erscheint mir unter Berücksichtigung der modernen Kommunikationsmittel fraglich.

Ein ärztliches Attest über die Arbeitsunfähigkeit des Zeugen für den Verhandlungstag belegt nicht automatisch eine genügende Entschuldigung, denn Arbeitsunfähigkeit bedeutet nicht auch Reise- oder einer Verhandlungsunfähigkeit, worauf es aber für die Teilnahme an der HV ankommt (vgl. z.B. LG Stuttgart, Beschl. v. 15.6.2016 – 6 Qs 2/15). Auch berufliche Pflichten sollen einen Zeugen nur unter Anlegung strenger Maßstäbe entschuldigen können (LG Stuttgart, a.a.O. für Rechtsanwalt). Schließlich soll auch eine Urlaubsreise den Zeugen grds. nicht von seiner Pflicht, zur Vernehmung vor Gericht zu erscheinen, entbinden (OLG Dresden NStZ-RR 2015, 192). Das erscheint mir, wenn die Reise vor der Ladung des Zeugen gebucht war, zweifelhaft. In der Praxis wird hierauf i.d.R. Rücksicht genommen.

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