Rdn 4165

1. Ergibt sich für den Verteidiger, nachdem er der Entlassung eines Zeugen zugestimmt hat (→ Zeuge, Vernehmung, Entlassung, Teil Z Rdn 4159), dass er an die Beweisperson doch noch Fragen hat, ist zu unterscheiden, ob es sich bei den Fragen um solche handelt, die bezogen auf das Beweisthema, zu dem die Beweisperson bereits ausgesagt hat, neu sind (vgl. Teil Z Rdn 4168 ff.) oder nicht (Teil Z Rdn 4166 f.).

 

☆ Die nachstehenden Ausführungen gelten für SV entsprechend (zur Vernehmung des SV →  Vernehmung Sachverständiger , Teil V Rdn  3722 ).SV entsprechend (zur Vernehmung des SV → Vernehmung Sachverständiger, Teil V Rdn 3722).

 

Rdn 4166

2.a) Handelt es sich bei den Fragen um solche, die bezogen auf das Beweisthema, zu dem die Beweisperson bereits ausgesagt hat, nicht neu sind, ist der Beweiserhebungsanspruch verbraucht. Es handelt sich dann nur um eine Wiederholung dieser (bereits abgeschlossenen) Beweiserhebung. Ein solcher Antrag des Verteidigers ist kein Beweisantrag, sondern nur eine → Beweisanregung, Teil B Rdn 987. Der "Antrag" muss also nicht den dafür geltenden inhaltlichen Anforderungen entsprechen, er wird andererseits vom Gericht aber auch nur an der sich aus § 244 Abs. 2 ergebenden → Aufklärungspflicht des Gerichts, Teil A Rdn 422, geprüft. Die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 und 4 gelten nicht (st. Rspr.; vgl. u.a. BGHSt 14, 21 f.; zuletzt BGH NStZ 1999, 312 m.w.N.; KK-Krehl, § 244 Rn 35, 70 m.w.N.).

 

☆ Wegen dieser erleichterten Ablehnungsmöglichkeit einer erneuten Vernehmung muss der Verteidiger sorgfältig prüfen , ob ein Zeuge oder SV unmittelbar nach seiner Vernehmung bereits entlassen werden kann (→  Zeuge, Vernehmung, Entlassung , Teil Z Rdn  4159 )."erneuten Vernehmung" muss der Verteidiger sorgfältig prüfen, ob ein Zeuge oder SV unmittelbar nach seiner Vernehmung bereits entlassen werden kann (→ Zeuge, Vernehmung, Entlassung, Teil Z Rdn 4159).

Betrifft der Antrag möglicherweise nur z.T. bereits behandelte Tatsachen, so z.B. bei der Schuld- und der Straffrage, kann er nur wegen dieses Teils unter den erleichterten Voraussetzungen des § 244 Abs. 2 abgelehnt werden. I.Ü. ist er wie ein Beweisantrag zu behandeln (BGHSt 15, 161; dazu Teil Z Rdn 4169 f.).

Hinzuweisen ist auf folgende Rechtsprechungsbeispiele:

 

Rdn 4167

 

für bloße Wiederholung

durch die Beweisbehauptung wird die Aussage des bereits vernommenen Zeugen lediglich ins Gegenteil verkehrt (BGH StV 1991, 2),
Antrag auf nochmalige Vernehmung eines schon entlassenen Zeugen unter Gegenüberstellung eines anderen (BGH NJW 1960, 2156 f.; StV 1996, 566; → Gegenüberstellung von Zeugen, Teil G Rdn 1958),
ein SV kann auch nicht als Zeuge über das aussagen, was er in derselben HV bereits ausgesagt hatte (vgl. BGH NStZ 1993, 229 [K]; 1995, 218 [K]),
Antrag auf Wiederholung einer Beweiserhebung unter abweichenden Bedingungen (BGH NStZ 1997, 95 [für Stimmvergleichstest]),
Antrag auf Wiederholung der gesamten Beweisaufnahme in Gegenwart eines SV (BGHSt 14, 21 f.),
Antrag auf Vernehmung eines vor dem beauftragten oder ersuchten Richters vernommenen Zeugen, wenn das Vernehmungsprotokoll verlesen worden ist (BGHSt 46, 73, 80 m.w.N.),
Antrag auf ergänzende Vernehmung eines Zeugen nach einer → Videovernehmung in der Hauptverhandlung, Teil V Rdn 3900 (BGHSt 48, 268),
Antrag auf Vernehmung eines Zeugen nach → Vorführung von Bild-Ton-Aufzeichnungen, Teil V Rdn 3972, es sei denn, der Zeuge soll zu Umständen aussagen, zu denen er bei seiner ersten/aufgezeichneten Vernehmung aus zeitlichen Gründen noch gar nicht vernommen werden konnte (OLG Karlsruhe StraFo 2010, 71).
 

Rdn 4168

 

für keine bloße Wiederholung

die erneute Vernehmung eines Zeugen drängt sich im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte einer kindlichen Beschuldigung in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs auf (BGH NStZ 1994, 297),
Antrag auf Vernehmung eines Zeugen, der bisher nur als Mitbeschuldigter vernommen worden ist (BGH NJW 1985, 76 m.w.N.),
es haben sich Umstände ergeben, die einem bereits gehörten SV unbekannt waren und zu denen sich dieser deshalb nicht äußern konnte (BGH NStZ 1995, 201; 2007, 417 [offengelassen]; KK-Krehl, § 244 Rn 70),
m.E., wenn sich bei der Vernehmung eines Zeugen Umstände ergeben (haben), die auf die Verwertbarkeit der Vernehmung eines bereits gehörten Zeugen Einfluss haben, diese aufgeklärt werden müssen und ggf. einen Widerspruch gegen die Verwertung der ersten Vernehmung (nachträglich) notwendig machen (→ Zeuge, Vernehmung, Entlassung, Teil Z Rdn 4159),
der Zeuge soll zu Umständen aussagen, zu denen er bei seiner ersten Vernehmung aus zeitlichen Gründen noch gar nicht vernommen werden konnte (OLG Karlsruhe StraFo 2010, 71; s.a. BGH NJW 2011, 3382 [erst nach Videovernehmung im EV vorliegendes aussagepsychologisches SV-Gutachten; → Vorführung von Bild-Ton-Aufzeichnungen, Teil V Rdn 3972 ff.),
(erneute) Anträge, die sich nach dem Scheitern einer Verständigung nach § 257c ergeben (→ Absprachen/Verständigung, Verfahren, Bindungswirkung, Teil ...

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