Literaturhinweis:
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. 2015, Rn 1461 ff., 1721 ff.
a) Tatbestand des Fahrverbots
Ein Augenblicksversagen kann unter den Vorgaben des BGH (BGHSt 43, 241 = NZV 1997, 525) zum Wegfall der Tatbestandswirkung des Regelfalls für die Anordnung eines Fahrverbots führen. Bei einem Rotlichtverstoß rechtfertigt eine Verwechslung des Rotlichts der für den fließenden Verkehr maßgeblichen Lichtzeichenanlage mit dem Grünlicht der in gleiche Richtung führenden Fußgängerampel regelmäßig nicht den Wegfall des verwirkten Fahrverbots wegen Augenblicksversagens (OLG Bamberg NStZ-RR 2016, 57 Ls. = zfs 2016, 50 m. Anm. Krenberger; Beschl. v. 22.12.2015 – 3 Ss OWi 1326/15 = VRR 5/2016, 17 [Deutscher]). Von der Anordnung eines Regelfahrverbots wegen eines Abstandsverstoßes kann nicht mit der Begründung abgesehen werden, das nachfolgende Fahrzeug sei auf der Beobachtungsstrecke gefahrvoll auf den Betroffenen aufgefahren, wenn dieser bereits zuvor den Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug in pflichtwidriger Weise unterschritten hatte (OLG Bamberg NStZ-RR 2016, 57).
Literaturhinweis:
Zu Abstandsverstößen im Verkehrszivil- und -bußgeldrecht näher Gutt/Krenberger zfs 2015, 664.
Bei einer unübersichtlichen Beschilderung (z.B. einem unklaren Aussagegehalt von Zusatzschildern) kann ein Wertungsirrtum des Betroffenen einen vermeidbaren Verbotsirrtum des Betroffenen begründen und die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräften. Das hängt aber vom Grad der Vermeidbarkeit ab und bedarf einer Abwägung und Gewichtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (OLG Bamberg StraFo 2016, 116 m. Anm. Sternberg-Lieben = VRR 4/2016, 14 [Deutscher]). Ein beharrlicher Pflichtenverstoß außerhalb des Regelfalls i.S.v. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV kann bei der wiederholten unbefugten Benutzung eines Mobiltelefons vorliegen (OLG Hamm NStZ-RR 2016, 28).
b) Erforderlichkeit des Fahrverbots
Die Erforderlichkeit eines verwirkten Fahrverbots kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass der Betroffene wegen des bevorstehenden Erreichens der "Punktegrenze" mit dem Entzug der Fahrerlaubnis zu rechnen habe, weshalb von einem Fahrverbot kein über eine ggf. erhöhte Geldbuße hinausgehender verkehrserzieherischer Effekt zu erwarten sei (OLG Bamberg NStZ 2016, 162 = DAR 2015, 656 = VRR 1/2016, 15 [Deutscher]). Auch die von vielen Tatrichtern insoweit akzeptierte freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar soll regelmäßig nicht für ein Absehen genügen (OLG Bamberg a.a.O.).
c) Angemessenheit des Fahrverbots
Eine nicht anders abwendbare Existenzgefährdung mit der Folge des Absehens vom Fahrverbot kann vorliegen, wenn der alleingeschäftsführende Gesellschafter einer GmbH die Fahrverbotsdauer nicht durch einen Fahrer aus dem Betrieb oder einen hierfür angestellten abwenden kann (AG Lüdinghausen NZV 2015, 512 = VRR 2014, 576 [Deutscher]). Bei einem einschlägigen Regelfahrverbot bedarf es im Hinblick auf einen möglicherweise drohenden Arbeitsplatz- oder Existenzverlust umfassender Aufklärung durch das Tatgericht, sofern der Betroffene entsprechende Anknüpfungstatsachen vorbringt. Eine Beweislast trifft den Betroffenen insoweit nicht (OLG Karlsruhe DAR 2016, 91 m. Anm. Kabus).
d) Dauer des Fahrverbots
Bei tateinheitlicher Begehung mehrerer, jeweils fahrverbotsbegründender Verstöße kommt eine Addition beider Fahrverbote grundsätzlich nicht in Betracht (KG NZV 2015, 566 Ls. = DAR 2015, 274 = zfs 2016, 51 m. Anm. Krenberger = VRR 5/2015, 12 [Deutscher]). Bei tatmehrheitlicher Begehung solcher Verstöße geht die einhellige Rechtsprechung davon aus, dass nur ein Fahrverbot anzuordnen ist, nicht mehrere. Auf die hiervon abweichende Vorlage des OLG Hamm (DAR 2015, 535 m. Anm. Zopfs = VRR 8/2015, 11 [Deutscher]) hat der BGH nunmehr diese Ansicht bestätigt (DAR 2016, 212).
e) Vollstreckung sog. gemischter Fahrverbote
Sind mehrere Fahrverbote teils mit Vollstreckungsaufschub nach § 25 Abs. 2a StVG, teils ohne zu vollstrecken (sog. gemischte Fahrverbote), soll nach einem obiter dictum des OLG Hamm (DAR 2016, 32 m. Anm. Fromm = VRR 12/2015, 15 [Deutscher]) entgegen der h.A. eine Parallelvollstreckung der Fahrverbote ausgeschlossen sein (abl. Deutscher a.a.O.).