1. Trunkenheits- und Drogenfahrt (§§ 315c, 316 StGB)
Nach allgemeiner Ansicht gibt es bei Drogenfahrten keine absolute Fahruntüchtigkeit. Der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit kann nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Gesicherte Erfahrungswerte, die es erlauben würden, bei Blutwirkstoffkonzentrationen oberhalb eines bestimmten Grenzwertes ohne weiteres auf eine rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit zu schließen, bestehen nach wie vor nicht. Hat der Tatrichter konkrete Feststellungen zu einem Fahrfehler zwar nicht getroffen, sind den Urteilsgründen über die nicht unerheblichen Blutwirkstoffkonzentrationen hinaus aber weitere gewichtige Anzeichen für die Fahruntüchtigkeit des Angeklagten zu entnehmen (hier: Konzentrationsstörungen, verlangsamte Koordination, verwaschene Sprache und schläfriger Zustand bei der polizeilichen Kontrolle sowie bei der anschließenden ärztlichen Untersuchung ein auffällig stark gestörtes Zeitempfinden), ist die rauschmittelbedingte ("relative") Fahruntüchtigkeit aber noch hinreichend dargelegt (BGH NZV 2015, 562). Stützt das Tatgericht die Annahme drogenbedingter Fahruntüchtigkeit neben der hohen Wirkstoffkonzentration auf mehrere weitere aussagekräftige Beweisanzeichen in der Anhaltesituation (hier: keine Pupillenreaktion bei Veränderung der Lichtverhältnisse, deutliches Schwanken nach dem Aussteigen, unsicherer, staksiger und wackliger Gang, verzögertes Antwortverhalten), so ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Weitergehender Feststellungen zur konkreten Beeinträchtigung der Sehfähigkeit und zu deren konkreten Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit bedarf es in einem solchen Fall nicht (OLG Saarbrücken NZV 2016, 97). Die falsche Einschätzung einer Verkehrssituation ist hingegen für sich allein keine Ausfallerscheinung, die als Indiz für eine alkoholbedingte relative Fahruntauglichkeit genügt (OLG Naumburg StRR 2015, 434 = VRR 11/2015, 11 [jew. Burhoff]).
Literaturhinweise:
Näher zur drogenbedingten Fahruntüchtigkeit Deutscher StRR 2015, 367. Zum Vorsatz bei Alkoholfahrten König DAR 2015, 737. Zur freiwilligen Einwilligung des betrunkenen Beschuldigten in die Blutprobenentnahme Priemer/Gutt/Krumm DAR 2016, 169.
2. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB)
Der Tatbestand bereitet den Tatgerichten in der Anwendung immer wieder Probleme, so etwa beim Versuch, eine polizeiliche Blockade zu durchbrechen. Fährt ein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit und ungebremst auf einen Streifenwagen zu, der sich quer zur Fahrbahn gestellt hatte, um ein Durchkommen zu verhindern und gibt der Streifenwagenfahrer erst bei einer Entfernung von weniger als 50 m zum heranfahrenden Fahrzeug den Weg frei, so muss das Urteil konkrete Feststellungen zu den Entfernungsverhältnissen machen, die einen sicheren Schluss auf den für die Annahme einer konkreten Gefahr erforderlichen "Beinahe-Unfall" zulassen (BGH NStZ-RR 2015, 321).
Vor einigen Jahren ging der Fall des Lkw-Fahrers durch die Presse, der in einer Vielzahl von Fällen während seiner laufenden Fahrten auf andere Fahrzeuge mit einer Pistole geschossen hat. Der BGH (NZV 2016, 40) hat die Anwendung des § 315b Abs. 1 StGB – hier als Versuch – durch das LG moniert. Die konkrete Gefahr für eines der dort genannten Schutzobjekte muss nach der tatbestandlichen Struktur der Norm jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen sein. Dies ist nicht der Fall, wenn der entstandene Schaden ausschließlich auf der durch die auf fahrende Autos abgegebenen Pistolenschüsse freigesetzten Dynamik der auftreffenden Projektile beruht.
3. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB)
Zum Nachweis des Vorsatzes stellt das KG (VRS 129, 4 = VRR 1/2016, 13 [Burhoff]) klar: Hat der Kfz-Führer bemerkt, dass es zu einem Anstoß seines Fahrzeugs mit einem anderen gekommen war, muss sich aus dem Urteil ergeben, dass er sich einen aus der Berührung der Fahrzeuge herrührenden, nicht ganz belanglosen Schaden zumindest als möglich vorgestellt hat. Dies versteht sich auch nicht von selbst, wenn an beiden Fahrzeugen auf den ersten Blick lediglich ein Farbaufrieb erkennbar war.
Literaturhinweis:
Auf die Rechtsprechungsübersicht zu § 142 StGB bei Burhoff VRR 2/2016, 4 und 3/2016, 4.
4. Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)
Die beim fahrlässigen Erfolgsdelikt erforderliche Vorhersehbarkeit des Taterfolgs kann bei einem überwiegenden Mitverschulden des Geschädigten ausgeschlossen sein (BGHSt 12, 75 = NJW 1958, 1980; KG NZV 2015, 45 = zfs 2015, 529 m. Anm. Krenberger). Ein solches Mitverschulden liegt vor, wenn es in einem gänzlich vernunftwidrigen oder außerhalb der Lebenserfahrung liegenden Verhalten besteht. Die vorsätzliche Begehung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes ist bei wertender Betrachtung als solch gänzlich vernunftwidriges Verhalten anzusehen (OLG Hamm NStZ-RR 2016, 27).
5. Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB)
Mit einem sicherlich nicht ganz seltenen Sachverhalt der Selbstbegünstigung hat sich das OLG Stuttgart befasst (NStZ 2016, 155 = DAR 2015, 708 m. Bespr. Niehaus DAR 2015, 720 = zfs 2016, 47 m. Anm. Krenberger = ZAP F. 22 R, S. 927 = StRR 2015, 473 [jew....