Eine Ausbildungsverzögerung durch eine Schwangerschaft und der anschließenden Kindesbetreuung beseitigt den Unterhaltsanspruch nicht (BGH FamRZ 2011, 1560 m. Anm. Norpoth = NJW 2011, 2884 m. Anm. Born; Anm. Viefhues FF 2011, 412; OLG Celle, Beschl. v. 19.11.2015 – 17 WF 242/15, FamRZ 2016, 830, vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 2004, 1892). In diesen Fällen ist zwar der nichteheliche Vater gem. § 1615l BGB zuerst in Anspruch zu nehmen. Falls dieser nicht leistungsfähig ist, greift die Ersatzhaftung der Eltern der nichtehelichen Mutter.

Für den Zeitraum der unterhaltsrechtlich geschützten Betreuung des (Enkel-)Kindes nimmt der BGH Bezug auf die Regelungen der §§ 1570, 1615l BGB. Die daraus abgeleitete gesetzgeberische Grundentscheidung wirkt sich mittelbar auch auf das Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen dem unterhaltsberechtigten volljährigen Kind und seinen unterhaltspflichtigen Eltern aus. Daher ist für den Zeitraum bis zum dritten Geburtstag des (Enkel-)Kindes der Unterhaltsanspruch gegeben. Dies bedeutet aber umgekehrt, dass nach Ablauf dieser Zeit beim unterhaltsberechtigten Kind grundsätzlich eine volle Erwerbsobliegenheit gegeben ist. Wird dennoch weiter Ausbildungsunterhalt verlangt, muss das volljährige Kind die gleichen besonderen Umstände vortragen, die im Rahmen der §§ 1570, 1615l BGB von dem betreuenden Elternteil verlangt werden. Es gelten hier die zu §§ 1570 I, 1615l BGB entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2011 – XII ZR 127/09, FamRZ 2011, 1209 m. Anm. Viefhues; BGH, Urt. v. 15.6.2011 – XII ZR 94/09 NJW 2011, 2646 m. Anm. Mletzko; BGH, Urt. v. 18.3.2009 – XII ZR 74/08, FamRZ 2009, 770 mit krit. Anm. Borth FamRZ 2009, 960; BGH, Urt. v. 24.6.2009 – XII ZR 161/08, FamRZ 2009, 1477; BGH, Urt. v. 6.5.2009 – XII ZR 114/08, NJW 2009, 1956 = FamRZ 2009, 1124 = FF 2009, 313; BGH FamRZ 2006, 1362).

Der BGH hat offen gelassen, ob anders zu entscheiden ist, wenn die Unterhaltsberechtigte mehrere Kinder betreut (BGH FamRZ 2011, 1560 m. Anm. Norpoth = NJW 2011, 2884 m. Anm. Born; Viefhues FF 2011, 412).

Nicht beanstandet hat der BGH, dass das OLG der Unterhaltsberechtigten eine Übergangszeit zugestanden hat, nachdem diese nicht sofort nach Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes mit ihrem Studium begonnen hat, sondern erst einige Monate später.

 

Praxishinweise:

  • Zu prüfen ist in der Praxis immer, wann diese Übergangszeit beginnt, innerhalb der sich das volljährige Kind um eine vollschichtige Erwerbstätigkeit bemüht. Denn das Entstehen dieser Erwerbsobliegenheit ist dem volljährigen Kind nicht erst am dritten Geburtstag des Kindes bekannt, sondern bereits früher abzusehen. Es lässt sich also durchaus argumentieren, dass mit der Arbeitsplatzsuche früher begonnen werden muss und diese Übergangs- und Orientierungsphase zum dritten Geburtstag des Kindes bereits abgelaufen ist.
  • Während der Schwangerschaft des Kindes und der Zeit der Kindesbetreuung besteht kein Ausbildungsanspruch, sofern keine Ausbildung betrieben wird.
  • Vorrangig haftet der Kindesvater aus § 1615l BGB. Auch im Rahmen des § 1615l BGB gelten Erwerbsobliegenheiten für den unterhaltspflichtigen Vater des Kindes.

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