Die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters auf 18 Jahre hat dazu geführt, dass viele Kinder, die volljährig werden, ihre Schulausbildung noch nicht abgeschlossen haben. Daher hat der Gesetzgeber die Rechtsfigur der "privilegierten volljährigen Kinder" geschaffen, die hinsichtlich der verschärften Haftung und des Unterhaltsrangs den minderjährigen Kindern gleichgestellt sind.

1. Voraussetzungen

Das Kind muss noch im Haushalt der Eltern – oder eines Elternteils – leben (vgl. KG NJW 2016, 2345) und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden (sog. schulbesuchende Hauskinder). Für eine solche allgemeine Schulausbildung sind drei Faktoren maßgeblich (BGH, Urt. v. 10.5.2001 – XII ZR 108/99, FamRZ 2001, 1068; BGH, Urt. v. 9.1.2002 – XII ZR 34/00, NJW 2002, 2026; OLG Hamm FamRZ 2015, 939; OLG Stuttgart NJW-RR 2013, 131; Einzelheiten zu der nicht ganz einheitlichen Rechtsprechung s. Viefhues, in: jurisPK-BGB, 2017, § 1603 Rn 1003 ff.):

  • Ausbildungsziel: Der Schulbesuch muss auf den Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses zielen, der Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder den Besuch einer Hochschule oder Fachhochschule ist. Dies ist bei einem Hauptschulabschluss, dem Realschulabschluss und den verschiedenen Formen der Hochschulreife immer der Fall.
  • Zeitliche Beanspruchung des Schülers: Die Schulausbildung muss die Zeit und die Arbeitskraft des Kindes voll oder zumindest überwiegend in Anspruch nehmen. Eine Erwerbstätigkeit, durch die der Schüler seinen Lebensunterhalt verdienen könnte, darf neben der Schulausbildung also nicht möglich sein.
  • Organisationsstruktur der Schule: Die Schulausbildung setzt die Teilnahme an einem kontrollierten Unterricht voraus; sie darf nicht der freien Entscheidung des Schülers überlassen bleiben.

2. Auswirkungen

Die Einstufung als sog. privilegiertes volljähriges Kind hat unterhaltsrechtlich zwei wesentliche Konsequenzen:

  • Es besteht ihnen gegenüber eine gesteigerte Unterhaltspflicht, bei der an die Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen besonders strenge Anforderungen gestellt sind. In der Praxis hat dies einmal Bedeutung für die Nebentätigkeitsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen (dazu BGH NJW 2011, 1874 = FamRZ 2011, 1041; OLG Köln FamRZ 2012, 314; ausführlich Viefhues, in: jurisPK-BGB, 2017, § 1603 Rn 775 ff.). Zudem kann der Unterhaltspflichtige sich gegenüber diesem Anspruch des volljährigen Kindes nur auf den – niedrigeren – notwendigen Selbstbehalt von derzeit 1.080 EUR berufen, während gegenüber anderen volljährigen Kindern der – höhere – angemessene Selbstbehalt von 1.300 EUR gilt (BGH, Urt. v. 12.1.2011 – XII ZR 83/08, NJW 2011, 670 m. Anm. Born = FamRZ 2011, 454 m. Anm. Finke).
  • Zudem steht der privilegierte Volljährige im Rang dem minderjährigen Kind gleich (im ersten Rang gem. § 1609 Nr. 1 BGB), während die anderen volljährigen Kinder erst den vierten Rang eingeräumt bekommen (§ 1609 Nr. 4 BGB).
 

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