I. Wesentliche Grundbegriffe und Strukturprinzipien des Reiserechts
Es gibt kein in sich geschlossenes System des Reiserechts und nur vereinzelte spezielle Kodifikationen der für den Tourismus bedeutsamen Bereiche. In der anwaltlichen Praxis sind die typischen reiserechtlichen Fragestellungen solche des Pauschalreiserechts, so dass sich der Beitrag auf diese beschränkt.
Entscheidender Ansatzpunkt des Pauschalreiserechts ist das Vorliegen einer Reise i.S.d. § 651a Abs. 1 S. 1 BGB, also einer Mehrheit von Reiseleistungen. Dieses Zusammenfügen einzelner Leistungen, bei denen in der Regel gar keine vertiefte Kenntnis des Verbrauchers über die rechtlichen Gegebenheiten des Leistungsträgers besteht, ist letztlich auch Grund für die weitgehende Verantwortlichkeit des Reiseveranstalters. Der Reiseveranstalter ist also in der Regel der Beklagte, nicht dagegen der einzelne Leistungsträger oder der Reisevermittler (das Reisebüro), das lediglich den Pauschalreisevertrag mit dem Veranstalter vermittelt.
II. Gewährleistungsregelungen
Die typische Klage des Reisenden gegen den Reiseveranstalter wird nach der Rückkehr aus dem Urlaub erhoben und dient dem finanziellen Ausgleich. Die Grundlagen des reiserechtlichen Gewährleistungssystems sind also von grundlegender Bedeutung für einen schlüssigen Sachvortrag in der Klageschrift. Das Pauschalreiserecht verfügt über ein eigenes Gewährleistungssystem, das in den §§ 651c bis 651f BGB geregelt ist. Voraussetzung der Anwendung der Gewährleistungsregeln ist ein Mangel bei einer Pauschalreise.
1. Vorliegen einer Pauschalreise
Das Gewährleistungsrecht findet nur Anwendung, wenn eine Pauschalreise (Reise i.S.d. § 651a Abs. 1 S. 1 BGB) vorliegt. Der Begriff "Reise" ist legaldefiniert und liegt vor, wenn der Reiseveranstalter dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen erbringt. Nur wenn der Mandant eine solche Reise zum Gegenstand eines Mandats macht, finden die reiserechtlichen Regelungen Anwendung. In typischen Konstellationen ist dies einfach festzustellen: zwei oder mehr gebündelte Reiseleistungen, bei denen eine oder mehrere nicht nur Nebenleistung sind oder eine ganz untergeordnete Bedeutung haben (EuGH RRa 1999, 132; Staudinger, §§ 651a–651m BGB (Reisevertragsrecht), § 651a Rn 4).
In typischen Konstellationen sind dies Kombinationen aus Transport und Unterbringung oder Flug und Wohnmobil, Unterbringung und ein Kurs. Diese Kombinationen sind eindeutig und erfordern keine vertiefte Bewertung. Entscheidend ist, ob die Leistungen gleichsam unabhängig voneinander Bestand und Wert haben können oder es sich nur um eine unbedeutende Nebenleistung handelt. Letzteres liegt z.B. vor bei Halbpension (BT-Drucks 8/786, S. 13), bei der Nutzung einer Kabine anlässlich einer Fährpassage (Führich, Handbuch des Reiserechts, § 5 Rn 12) oder vergleichbaren Nebenleistungen, die ohne Hauptleistung keinen eigenständigen Gehalt haben.
Entscheidend ist der Einzelfall: Wenn etwa ein Hotel über ein Restaurant verfügt, das aufgrund seiner herausragenden Bewertung in Gastronomie-Führern lange Wartelisten hat, kann eine Kombination aus Hotelaufenthalt und Dinner in diesem Restaurant durchaus auch eine Pauschalreise sein. Auch sog. dynamisch produzierende Reiseveranstalter, die ein Leistungsbündel erst im Zeitpunkt der Buchung schnüren, produzieren Pauschalreisen (EuGH EuZW 2002, 402 "Club Tour"; BGH NJW 2011, 599).
In den verbleibenden Zweifelsfällen müssen Indizien herangezogen werden. Ist die Reise etwa als Paket beworben, ist sie mit einem Reisesicherungsschein versehen, wird sie einheitlich gebucht, wird ein einheitlicher Preis aufgerufen, liegt eine Pauschalreise vor (Führich, Handbuch des Reiserechts, § 5 Rn 16). Als Pauschalreise werden auch Kreuzfahrten eingeordnet (BGH NJW 2013, 1674); auch Urlaube in Ferienparks sind eine Pauschalreise (BGH NJW 2000, 1639 "Center-Parcs").
Darüber hinaus werden die Regeln des Pauschalreiserechts analog auf einige Einzelleistungen angewandt, die über einen Veranstalter (und nicht direkt beim Leistungsträger) gebucht werden. Dies sind Ferienhausverträge (BGH NJW 2013, 308; BGH MDR 2013, 995); Hotelübernachtungen (BGH NJW 2014, 2955); Bootscharter, wenn nicht der sportliche Charakter im Vordergrund steht (BGH NJW 1995, 2629); Wohnmobile (AG Frankfurt/M. RRa 2007, 33; MüKo-BGB/Tonner, § 651a Rn 32).
2. Reiserechtlicher Mangel
Die Gewährleistungsansprüche setzen weiter einen reiserechtlichen Fehler oder das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft voraus.
a) Reiserechtlicher Fehler
Ein Fehler ist die (in der Regel negative) Abweichung der Soll-Beschaffenheit der Reise von der Ist-Beschaffenheit. Mit der Frage konfrontiert, ob der Mandant einen Anspruch gegen den Reiseveranstalter hat, muss zunächst geklärt werden, was der Reiseveranstalter als vertragliches Leistungsprogramm zugesagt hat. Wichtigste Informationsquelle ist hier der Reisekatalog oder die der Buchung zugrunde liegende Website. Die Bearbeitung des Mandats ohne Kenntnis dieser Angaben des Reiseveranstalters ist also kaum möglich.
Hinweis:
Besonderes Augenmerk sollte darauf gelegt werden, welche Beschreibung zur Grundlage einer Klage gemacht wird.
Immer wieder fällt in der Praxis auf, dass der Manda...