Das OLG Hamm (DAR 2016, 595 = VRR 11/2016, 19/StRR 2/2017, 21 [jew. Burhoff]) fasst die Grundsätze zur Entpflichtung des Betroffenen von der Pflicht zur Anwesenheit zusammen: Teilt der Betroffene bzw. sein Anwalt in seinem Antrag auf Entbinden vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung mit, dass er sich zur Sache nicht einlassen werde, und sind tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass durch die persönliche Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts erwartet werden kann, nicht erkennbar, dann ist dem Antrag des Betroffenen zu entsprechen. Allein die rein theoretische, durch keine einzelfallbezogenen konkreten Tatsachen gestützte Möglichkeit, polizeiliche Zeugen könnten sich nach längerer Zeit an ein von ihnen beobachtetes Fehlverhalten eines Betroffenen im Straßenverkehr besser oder überhaupt erst erinnern, wenn sie den Betroffenen in der Hauptverhandlung sehen, reicht zur Ablehnung eines Entbindungsantrags des Betroffenen nicht aus. Dies gilt erst recht, wenn zum vorgeworfenen Verhalten eine Videoaufzeichnung vorliegt. Der Antrag, den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, muss nach Aufhebung des angefochtenen Ersturteils durch das Rechtsbeschwerdegericht und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht erneut gestellt werden (OLG Bamberg NStZ-RR 2017, 26 = StraFo 2016, 524).
Kündigt der Betroffene 15 Minuten vor Terminsbeginn eine Verspätung von bis zu 30 Minuten an, weil er 1,5 Kilometer vom Gerichtsgebäude entfernt in einem Taxi im Stau steht, so darf das Amtsgericht seinen Einspruch auch dann nicht nach § 74 Abs. 2 OWiG verwerfen, wenn es die weiteren Verfahrensbeteiligten eilig haben (KG VRR 2/2017, 188 [Burhoff]).
Abschließende Hinweise:
Zu den erforderlichen Feststellungen bei einer Abstandsunterschreitung s. OLG Bamberg (DAR 2017, 91). Das Überholen als verkehrsrechtliches Problem beschreiben Gutt/Krenberger (zfs 2016, 664). Die verkehrsrechtliche Einordnung des Hoverboards erörtert Huppertz (NZV 2016, 513). Nach AG Lüdinghausen (NZV 2016, 487) soll ein Kfz-Führer auch in einem Kreisverkehr nach § 21a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO unangeschnallt fahren dürfen, wenn er Schrittgeschwindigkeit fährt (zweifelhaft). Der Eintritt der Verfolgungsverjährung hinsichtlich des Fahrers sperrt nicht den Erlass eines Kostenbescheids nach § 25a StVG gegen den Halter (AG Bergisch Gladbach NZV 2017, 137 m. Anm. Sandherr). Zu Verkehrsverstößen von Fahrradfahrern s. Scheidler (DAR 2017, 14).