1. Betriebsgefahr (§ 7 StVG)
Die Frage der Betriebsgefahr musste der BGH (DAR 2017, 135) in folgendem Fall beurteilen: Der Kläger überholte unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn den Pkw des Zeugen B mit seinem Motorrad und wollte auch die Beklagte zu 1) auf deren Motorrad überholen. Er geriet, ohne dass es zu einer Fahrzeugberührung kam, in das Bankett und verlor dort die Kontrolle. Er behauptet, er habe der plötzlich nach links fahrenden Beklagten zu 1) ausweichen müssen. Der BGH hält das Eingreifen der Betriebsgefahr für denkbar und erklärt: Bei einem berührungslosen Unfall ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs eines Kfz zu einem schädigenden Ereignis, dass es über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.
Hinweis:
Lebhaft diskutiert werden Rechtsfragen um das "automatisierte Fahren" (von Bodungen/Hoffmann NZV 2016, 449, 503; Arzt/Schumacher NZV 2017, 57; König NZV 2017, 123). Hierzu gibt es einen umstrittenen Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drucks 69/17).
2. Anscheinsbeweis (§§ 7 ff. StVG), hier: Parkplatzunfälle
Schon im letzten Bericht ist auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Anscheinsbeweis bei Parkplatzunfällen hingewiesen worden (NJW 2016, 1098 m. Anm. Geipel = NZV 2016, 169 = DAR 2016, 197 m. Anm. Engel = zfs 2016, 435 m. Anm. Diehl u. Bespr. La Malfa 363 = VRR 5/2016, 7 [Küppers]; NJW 2016, 1100 = NZV 2016, 198 = DAR 2016, 260 = zfs 2016, 434). Diese Grundsätze hat der BGH bekräftigt (NZV 2017, 140 [Almeroth] = DAR 2017, 74): Steht fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt selbst also noch nicht stand, so spricht auch bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende seiner Sorgfaltspflicht nach § 1 StVO in Verbindung mit der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit-)verursacht hat. Dagegen liegt die für die Anwendung eines Anscheinsbeweises gegen einen Rückwärtsfahrenden erforderliche Typizität des Geschehensablaufs regelmäßig nicht vor, wenn beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen aus Parkbuchten eines Parkplatzes zwar feststeht, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist, aber zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand, als der andere rückwärtsfahrende Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug in das Fahrzeug hineingefahren ist. Unabhängig vom Eingreifen eines Anscheinsbeweises können die Betriebsgefahr der Fahrzeuge und weitere sie erhöhende Umstände im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG Berücksichtigung finden (zur Umsetzung dieser Vorgaben AG Essen VRR 10/2016, 10 [Nugel]; auch LG Saarbrücken VRR 12/2016, 6 [Burhoff]; LG Karlsruhe NJW-RR 2016, 1305; LG Heidelberg NJW-RR 2016, 1431).
3. Haftungsverteilung bei Wettrennen von Pkw und Motorrad (§§ 7, 17 StVG)
Immer stärker ins Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit gerät die oftmals spontane Durchführung von Wettrennen auf öffentlichen Straßen. Bei einem Rennen zwischen Pkw und Motorrad sind für die Haftungsquote, insbesondere für die Berücksichtigung der Betriebsgefahren, die Umstände des jeweiligen Einzelfalls maßgebend, wenn dem Unfallgeschehen beiderseitige, eskalierende Verkehrsverstöße der Unfallbeteiligten vorausgehen (hier: beiderseitige Überholmanöver nach Art eines Wettrennens). Führt der Fahrer eines Pkw nach vorangegangenen beiderseitigen Überholmanövern eine bewusste Lenkbewegung nach links aus, um den Überholversuch eines Kraftradfahrers zu unterbinden, kann eine darin zum Ausdruck kommende rücksichtslose und grob verkehrswidrige Gesinnung des Pkw-Fahrers die aufseiten des Kraftrads allein in die Abwägung einzustellende Betriebsgefahr dahinter im Einzelfall gänzlich zurücktreten lassen (OLG Saarbrücken NZV 2017, 96 [Dürpisch]).
Hinweis:
Das LG Berlin hat erstmalig zwei Teilnehmer an einem Autorennen in der Berliner Innenstadt mit tödlichem Ausgang bei einem Unbeteiligten wegen Mordes verurteilt. Der Ausgang der Revision beim BGH bleibt abzuwarten. Zur bisherigen Strafbarkeit von Kfz-Rennen näher Preuß NZV 2017, 105; Mitsch DAR 2017, 70. In dem geplanten (BR-Drucks 362/16) § 315d StGB-E soll die Veranstaltung von und Teilnahme an nicht genehmigten Kfz-Rennen unter Strafe gestellt werden und nicht mehr wie bislang über § 29 Abs. 1 StVO eine bloße Ordnungswidrigkeit sein (zu dem Entwurf Preuß NZV 2017, 105; Mitsch DAR 2017, 70; Piper NZV 2017, 70). Zum Rennbegriff OLG Oldenburg DAR 2017, 93 m. Anm. Plate.
4. Sachschäden (§ 249 BGB)
a) Schadensbehebung durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs
Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Er ist...