1. Alkohol- und Drogenfahrten (§§ 24a Abs. 1 und 2, 24c StVG)
a) Fahrlässigkeit nach THC-Konsum
Die zwischen den Obergerichten umstrittene Frage, ob Fahrlässigkeit bei längerer Zeit vor dem Fahrtantritt zurückliegendem THC-Konsum vorliegt, wenn der im Blut gemessene THC-Wirkstoffgehalt nur geringfügig über dem analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml liegt, liegt dem BGH aufgrund der Vorlage des OLG Oldenburg (DAR 2016, 35 = VRR 9/2015, 14/StRR 2015, 397 [jew. Deutscher]) zur Entscheidung vor.
b) Einspruchsbeschränkung
Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ist beim Tatvorwurf des Führens eines Kfz unter Cannabiseinfluss unwirksam, wenn in dem Bußgeldbescheid die im Blut des Betroffenen nachgewiesene THC-Konzentration nicht mitgeteilt wird (OLG Düsseldorf DAR 2017, 92 = NZV 2017, 54 [Sandherr]).
2. Bußgeldrechtliches Fahrverbot (§ 25 StVG, § 4 BKatV)
Literaturhinweis:
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. 2015, Rn 1461 ff., 1721 ff. Zur Entwicklung des straßenverkehrsrechtlichen Fahrverbots im Jahr 2016 s. Deutscher NZV 2017, 112.
a) Tatbestand
Ein Augenblicksversagen kann nach den Vorgaben des BGH (BGHSt 43, 241 = NZV 1997, 525) zum Wegfall der Tatbestandswirkung des Regelfalls für die Anordnung eines Fahrverbots führen. Ein im nahen örtlichen Zusammenhang mit dem Ortsschild aufgestelltes Verkehrsschild, durch welches die zulässige Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt wird, kann aufgrund eines Augenblickversagens leicht übersehen werden. Dies ist lediglich eine momentane Unaufmerksamkeit und keine grobe Pflichtwidrigkeit, die die Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigt. Eine Erhöhung der Regelgeldbuße nach § 4 Abs. 4 BKatV ist dann nicht angezeigt, weil das bei Augenblicksversagen nicht in Betracht kommt (OLG Naumburg zfs 2016, 594 m. Anm. Krenberger).
Ein vermeidbarer Verbotsirrtum durch fehlerhafte Bewertung eines Zusatzschildes führt nicht zwangsläufig zum Wegfall des an sich verwirkten Regelfahrverbots. Vielmehr kommt dies nur in Ausnahmefällen in Betracht, wobei auf den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Rechtsgedanken des Augenblicksversagens zurückgegriffen werden kann (OLG Bamberg, Beschl. v. 27.1.2017 – 3 Ss OWi 50/17).
b) Erforderlichkeit
Ein mündlich von Polizeibeamten vor Ort ausgesprochenes Fahrverbot ist unwirksam, kann aber dennoch die Erforderlichkeit der Anordnung des Fahrverbots durch das Gericht entfallen lassen, wenn naheliegt, dass sich der Betroffene an das "mündliche Fahrverbot" gehalten hat (OLG Zweibrücken zfs 2016, 411; vgl. auch OLG Düsseldorf DAR 2017, 92 = NZV 2017, 54 [Sandherr]).
c) Angemessenheit
Bei abhängig Beschäftigten ist die Anordnung eines Fahrverbots unangemessen, wenn dies zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würde und die drohende Existenzgefährdung nicht durch anderweitige, zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann, etwa durch Verbüßung während des Urlaubs unter Berücksichtigung des bis zu viermonatigen Vollstreckungsaufschubs nach § 25 Abs. 2a StVG, Beschaffung eines Ersatzfahrers oder die Kombination mehrerer Abwendungsmöglichkeiten (KG NZV 2016, 535). Das KG (a.a.O.) nimmt das auch bei einem angestellten Taxifahrer an, der nur einen zweiwöchigen Urlaub erhält. Dem Betroffenen soll es auch zumutbar sein, sich gegen eine im Fall des Fahrverbots angedrohte, offenkundig unberechtigte arbeitsrechtliche Kündigung gerichtlich zu wehren (AG Tiergarten zfs 2016, 533 m. Anm. Krenberger). Ein Absehen ist ausgeschlossen bei einer Betroffenen mit zwei ausgeübten Berufen bei einem monatlichen Familiennettoeinkommen von rund 5.000 EUR, wenn weder Existenzgefährdung noch Arbeitsplatzverlust konkret drohen (AG Lüdinghausen NZV 2016, 537).
3. Geschwindigkeitsverstöße (§ 3 StVO)
a) Messverfahren
Die Obergerichte verteidigen weiterhin ihre Grundsätze zum standardisierten Messverfahren und deren Folgen für das Bußgeldverfahren. Dabei handelt es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081, 3083; BGHSt 43, 277 = NJW 1998, 321, 322). Bei seiner Anwendung gilt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis: Ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler genügt das Gericht mit der Feststellung von Messverfahren und Toleranzabzug seiner Aufklärungs- und Darstellungspflicht (Regelfall). Anderes gilt nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für einen Messfehler (Ausnahme), wofür es regelmäßig konkreter, einer Beweiserhebung zugänglicher Einwände des Betroffenen bedarf. Im Grundsatz genügt im Urteil die Angabe des verwendeten standardisierten Messverfahrens und des abgezogenen Toleranzwertes. Kann im konkreten Fall nicht von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden, ist die erfolgte Messung als solche nicht generell unverwertbar. Vielmehr muss das Gericht dann von einem individuellen Messverfahren ausgehen, das nicht mehr die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit für sich in Anspruch nehmen kann. Will das Gericht eine Verurteilung des Betroffenen gleichwohl auf ein solches belastetes Messe...