Über die Voraussetzungen, unter denen Unfälle von Arbeitnehmern zu beurteilen sind, die auf einem in ihrer Wohnung eingerichteten Arbeitsplatz tätig werden, hat das BSG bereits mit Urteil vom 5.7.2016 (B 2 U 5/15 R, NJW 2017,08) entschieden (s. Sartorius/Pattar ZAP F. 18, S. 1503 ff., 1511 f.).
Das BSG (Urt. v. 31.8.2017 – B 2 U 9/16 R, NJW 2018, 1207) hat die Auffassung der Vorinstanz gebilligt, die bei folgendem Sachverhalt Versicherungsschutz angenommen hatte: Die Klägerin ist als selbstständige Friseurmeisterin nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert. Im Erdgeschoss ihres Anwesens betreibt sie den Friseursalon, im Obergeschoss befindet sich die von ihr und ihrem Ehemann bewohnte Privatwohnung, ferner ein separater Waschraum, in dem Waschmaschine und der Wäschetrockner stehen, die die Klägerin sowohl für die private Wäsche als auch für die Wäsche aus dem Friseursalon nutzt. Geschäftswäsche fällt mindestens einmal täglich an, an zwei Tagen der Woche auch zweimal täglich. Um die Geschäftswäsche zu waschen und danach in den Trockner zu legen oder aufzuhängen, muss der Wohnungsflur der Privatwohnung im Obergeschoss durchschritten werden. Am Unfalltag knickte die Klägerin in diesem Wohnungsflur ihrer Privatwohnung vor dem Waschraum mit dem rechten Fuß um, als sie sich auf dem Weg dorthin befand, um Geschäftswäsche aus der Waschmaschine zu holen und diese zum Trocknen aufzuhängen.
Das BSG entschied, dass sich die Klägerin auf einem versicherten Betriebsweg i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB VII befand. Betriebswege sind hierbei Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen. Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen, sind versichert nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII und unterscheiden sich von den Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen. Zwar beginnt sowohl bei Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit (versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, Wegeunfall) als auch bei einem direkt von der Wohnung aus angetretenen Betriebsweg die versicherte Tätigkeit grundsätzlich erst mit dem Durchschreiten der Außenhaustür des Gebäudes, in dem sich die Wohnung des Versicherten befindet.
Die für Betriebswege grundsätzlich bestehende Grenzziehung durch die Außenhaustür des Wohngebäudes ist aber dann nicht einschlägig, wenn sich die Wohnung der Versicherten und deren Arbeitsstätte im selben Haus befinden. Ob ein Weg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, bestimmt sich vielmehr dann nach der objektivierten Handlungstendenz der Versicherten, also danach, ob diese bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollten und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Dies war vorliegend der Fall.
Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht und für Arbeitsrecht Dr. Ulrich Sartorius, Breisach
ZAP F. 18, S. 513–526