Gegen die missbräuchliche Inanspruchnahme von Kindergeld will die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf vorgehen und u.a. auch illegale Beschäftigung schärfer bekämpfen. Diesem Ziel dient der Entwurf eines Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (vgl. BT-Drucks 19/8691). Vorgesehen ist, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls (FKS) nicht nur Fälle von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit prüfen kann, bei denen tatsächlich Dienst- oder Werkleistungen erbracht wurden, sondern in Zukunft auch die Fälle prüfen soll, bei denen diese zwar noch nicht erbracht wurden, sich aber bereits anbahnen. Prüfen soll die FKS auch die Fälle, in denen Dienst- oder Werkleistungen nur vorgetäuscht werden, um z.B. unberechtigt Sozialleistungen zu erhalten.
Von "systematischen Betrug beim Bezug von Kindergeld durch EU-Bürger" in bestimmten Fällen berichtete während einer Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags Anfang Mai eine Ministerialdirigentin aus dem Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie erläuterte, dass EU-Bürger bereits dann einen Anspruch auf Kindergeld hätten, wenn der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland liege. Bei organisierten Betrugsdelikten würden kinderreiche Familien aus dem EU-Ausland dort angeworben und nach Deutschland transportiert.
In der Anhörung bestätigte auch die Präsidentin der Generalzolldirektion, dass oft in organisierten Strukturen die jeweiligen Voraussetzungen für den Bezug von Sozialleistungen fingiert würden. Der Kindergeldbezug werde dabei auch an Scheinarbeitsverhältnisse und gefälschte Dokumente, die einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland belegen sollten, geknüpft. Ebenfalls mittels Täuschungen und Fälschungen, die eine vermeintliche Selbstständigkeit belegen sollten, werde vermehrt ein unberechtigter Bezug von weiteren Sozialleistungen erreicht. Der Schaden für die Sozialversicherung sei immens. Den Gesetzentwurf bezeichnete sie als "rundes Paket".
Der Leiter der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit ging auf eine von mehreren geplanten Neuregelungen ein, nach der neu zugezogene Unionsbürger während der ersten drei Monate von Kindergeldleistungen ausgeschlossen werden sollen, sofern keine inländischen Einkünfte erzielt werden. Damit könne der Gefahr von Leistungsmissbrauch begegnet werden und Überzahlungen könnten maßgeblich verringert werden. Die Regelung sei sinnvoll, so seine Einschätzung.
Auf schwere Bedenken stießen Teile des Gesetzesvorschlags hingegen beim Deutschen Anwaltverein (DAV). Er kritisierte insbesondere die geplante Dreimonatsfrist für neu zugezogene EU-Bürger. Damit werde der unionsrechtlich garantierte Anspruch auf Kindergeld für Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaates, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten würden, in Europa rechtswidriger Weise beschnitten, so der Vertreter des DAV in der Anhörung. Auch andere geplante Maßnahmen beurteilte der Anwaltverein kritisch. Weder bedürfe es zum Schutze des Sozialstaates noch zum Schutze der Rechte von Betroffenen noch zum Schutze des Wettbewerbs einer solchen Machtfülle bei der FKS.
Der Bundesverband der deutschen Lohnsteuerhilfevereine äußerte die Sorge, dass durch die vorgesehenen Einschränkungen auch Eltern benachteiligt werden könnten, bei denen kein Missbrauch vorliege und der Bezug des Kindergelds sachgerecht wäre. Ebenso wie der Deutsche Anwaltverein sah auch die Diakonie Deutschland einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, der eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verbiete. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnte den dreimonatigen Ausschluss von Kindergeldleistungen für Angehörige anderer Mitgliedstaaten der EU ab und bezeichnete das Vorhaben als "unbegründet, kontraproduktiv und wahrscheinlich auch europarechtswidrig".
[Quelle: Bundestag]