a) Obliegenheitsverletzung bei Arbeitslosigkeit
Grundsätzlich besteht eine Erwerbsobliegenheit eines Unterhaltspflichtigen, wobei im Falle der Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern besonders strenge Maßstäbe gelten.
Hat nicht der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis beendet, so liegt darin keine unterhaltsrechtliche Vorwerfbarkeit, so dass – jedenfalls für eine Übergangszeit – das tatsächlich geringere Arbeitslosengeld als Maßstab für die Unterhaltsberechnung heranzuziehen ist.
Eine durch eigene Kündigung verursachte Arbeitslosigkeit mit der Folge der selbst herbeigeführten Verminderung der Leistungsfähigkeit wird dagegen regelmäßig als unterhaltsrechtlich verantwortungslos oder zumindest leichtfertig angesehen.
Aus dem Gesichtspunkt der allgemeinen Erwerbsobliegenheit ist der Erwerbspflichtige, der seine Arbeitsstelle verloren hat, in jedem Fall aber gehalten, sich umgehend um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen, sobald ihm der Verlust seines Arbeitsplatzes bekannt wird. Setzen die Bemühungen erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist oder mit der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein, so kommen sie schon zu spät.
Hinweis:
An den Nachweis zur erfolglosen Arbeitssuche werden in der Praxis hohe Anforderungen gestellt.
Es ist eine substantiierte Darlegung der Bemühungen um eine Arbeitsstelle erforderlich:
- Die Meldung beim Arbeitsamt ist erforderlich, aber keinesfalls ausreichend.
- Erforderlich sind Meldungen auf Stellenanzeigen sowie schriftliche Bewerbungen, die auch nachzuweisen sind. Mündliche/telefonische Bewerbungen sind in der Praxis problematisch, da sie nicht immer nachgewiesen werden können.
- Bewerbungen "ins Blaue" hinein sind unzureichend.
- Auch auf den Inhalt der Bewerbung kommt es an: Sie muss ausreichend konkret und darf nicht abschreckend sein. Handschriftliche Bewerbungen auf kariertem Papier werden nicht als ernsthafte Bewerbungen anerkannt.
- Bei qualifizierten Berufen können auch eigene Anzeigen des Arbeitspflichtigen geboten sein.
- Der örtliche Bereich, in dem die Arbeitssuche betrieben werden muss, richtet sich nach den anerkennenswerten örtlichen Bindungen und kann sich u.U. auf ganz Deutschland oder gar auf den gesamten deutschsprachigen Bereich (OLG Dresden v. 23.7.2007 – 20 UF 444/07, FamRZ 2008, 173) erstrecken. In Ausnahmefällen ist sogar eine Tätigkeit im Ausland als zumutbar angesehen worden (KG Berlin v. 16.4.2013 – 17 UF 8/13, FamFR 2013, 346).
- Auch an die Intensität der Arbeitssuche werden hohe Anforderungen gestellt und es kann mindestens eine Bewerbung pro Woche erwartet werden. Einige Gerichte fordern eine eigenständige Arbeitssuche im Umfang einer Vollzeitbeschäftigung (OLG Frankfurt FamRZ 2001, 629).
- Bei verschärfter Unterhaltspflicht gegenüber Minderjährigen müssen auch Aushilfs- und Gelegenheitsjobs gesucht werden.
- Der Arbeitslose muss auch seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt aktiv steigern. So ist ein Langzeitarbeitsloser gehalten, berufsfördernde Maßnahmen mitzumachen und den Beruf zu wechseln. Dabei besteht bereits während einer laufenden Umschulung die Obliegenheit, sich im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten um einen Arbeitsplatz zu bemühen.
- Auch auf eine hohe Arbeitslosenquote allein kann sich ein Unterhaltspflichtiger nicht berufen.
Praxishinweis:
Die Rechtsprechung verlangt vom Anwalt des Pflichtigen einen extrem sorgfältigen und umfassenden Sachvortrag, denn die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Erwerbsbemühungen und der Erwerbschancen liegt beim Erwerbspflichtigen.
Wird dieser Nachweis nicht erbracht, brauchen beim Unterhalt minderjähriger Kinder keine Feststellungen zur konkreten Leistungsfähigkeit getroffen zu werden. Es wird vielmehr unterstellt, dass der Pflichtige den Mindestunterhalt zahlen kann. Besteht die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber mehreren Kindern, so kann dies allerdings nicht ohne Weiteres unterstellt werden.
Die Konsequenz unzureichender Bewerbungsbemühungen ist die Zurechnung fiktiver Einkünfte in Höhe des bisher erzielten bzw. erzielbaren Erwerbseinkommens.
b) Obliegenheit zur Nebentätigkeit
Die Nebentätigkeitsobliegenheit wird bei der verschärften Haftung gegenüber minderjährigen Kindern aus § 1603 Abs. 2 BGB bejaht, soweit der Mindestunterhalt sonst nicht geleistet werden kann (BGH FamRZ 2014, 1992). Eine solche Obliegenheit besteht also grundsätzlich nicht beim Ehegattenunterhalt. Wird eine solche Obliegenheit bejaht, ist es Sache des Unterhaltspflichtigen, darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen, warum er keine Nebentätigkeit ausüben kann. Auch zur Höhe des erzielbaren Einkommens muss substantiiert vorgetragen werden.
Fehlt ein solcher substantiierter Sachvortrag, muss der Unterhaltspflichtige damit rechnen, dass das Gericht eine Nebentätigkeitsobliegenheit zu seinen Lasten berechnet und dazu ein erhebliches erzielbares Einkommen gem. § 287 ZPO schätzt.
Praxishinweis:
Der Anwalt des Unterhaltspflichtigen muss in einschlägigen Fällen der verschärften Haftung gegenüber Minderjährigen gem. § 1603 Abs. 2 BGB intensiv die bisherige Erwerbsbiographie sowie die aktuellen Lebens- und Arbeitsverhältn...