aa) Entscheidung des BGH zum Elternunterhalt
Der Beschluss des BGH vom 18.1.2017 (XII ZB 118/16, ZAP EN-Nr. 253/2017 = FamRZ 2017, 519 m. Anm. Hauß; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – XII ZB 448/17, FamRZ 2018, 1506; ausführlich Borth FamRZ 2017, 682; ders. FamRZ 2019, 160) befasst sich auf den ersten Blick nur mit der Frage von Tilgungsleistungen und Aufwendungen für die zusätzliche Altersvorsorge beim Elternunterhalt. Die Leitsätze dieser Entscheidung lauten:
Zitat
- Neben den Zinsen sind die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen, ohne dass dies seine Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert.
- Der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil ist als Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der sekundären Altersvorsorge auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.
Konkret bedeutet dies, dass die Tilgung bis zur Höhe des vollen Wohnvorteils unterhaltsrechtlich angerechnet wird und dann noch darüber hinaus die Möglichkeit besteht, weitere Tilgungsleistungen bis zur Obergrenze von 5 % des Jahresbruttoeinkommens als zusätzliche Altersvorsorge abzusetzen.
Dies lässt sich anhand eines Berechnungsbeispiels verdeutlichen:
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Anrechnung beim Unterhalt: |
Wohnvorteil: |
600,00 EUR |
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600,00 EUR |
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Zinsen: |
450,00 EUR |
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- 450,00 EUR |
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Tilgung: |
550,00 EUR |
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- 150,00 EUR |
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verbleibender Wohnvorteil: |
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0,00 EUR |
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Die Tilgungsleistungen können – nach Abzug der Zinsen (450 EUR) – nur bis zur Höhe des Wohnvorteils berücksichtigt werden, also hier i.H.v. 150 EUR. Der Restbetrag von mtl. 400 EUR kann für die auf eine zusätzliche Altersvorsorge eingesetzt werden, hier i.H.v. jährlich 4.800 EUR.
Die Obergrenze für die Anrechnung des zulässigen Einsatzes für die zusätzliche Altersvorsorge beträgt beim Elternunterhalt 5 % des Jahresbruttoeinkommens des Vorjahres. Daraus folgt, dass die den Wohnwert und eine zusätzliche Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens übersteigenden Tilgungsleistungen daher grundsätzlich nicht absetzbar sind (BGH, Beschl. v. 18.1.2017 – XII ZB 118/16, a.a.O.).
Bei einem Jahresbruttoeinkommen von 150.000 EUR beträgt die Obergrenze folglich 7.500 EUR. Diese wird in o.g. Beispiel nicht überschritten, so dass bei der Unterhaltsberechnung monatlich 400 EUR für eine zusätzliche Altersvorsorge in Abzug gebracht werden können. Insgesamt können also auf diesem Weg die gesamten Belastungen der Wohnung (Zins und Tilgung) i.H.v. 1.000 EUR in Abzug gebracht werden.
Beläuft sich dagegen das Jahresbruttoeinkommen auf 80.000 EUR, beträgt die Jahresobergrenze lediglich 4.000 EUR. Abzugsfähig sind demnach nur monatlich 333,33 EUR. Folglich können insgesamt an Belastungen der Wohnung 933,33 EUR (Zins 450 EUR, Tilgungsleistungen über den Wohnvorteil 150 EUR, zusätzliche Altersvorsorge 333,33 EUR) in Abzug gebracht werden. Insgesamt wäre damit ein Tilgungsanteil von 483,33 EUR unterhaltsrechtlich anerkannt, während der Rest von 66,67 EUR unberücksichtigt bleiben muss.
bb) Anwendung auch auf den Ehegattenunterhalt
Die Überlegungen des BGH in seiner Entscheidung zum Elternunterhalt lassen sich auf andere Unterhaltsverhältnisse und speziell auf den Ehegattenunterhalt übertragen (Finke FF 2019, 2; Borth FamRZ 2019, 160; ders. FamRZ 2017, 682; Norpoth NZFam 2017, 307).
So führt der BGH aus, dass es hinsichtlich der vom Unterhaltspflichtigen erbrachten Tilgungsleistungen an einer Vermögensbildung "zu Lasten" des Unterhaltsberechtigten fehlt, wenn und soweit den Tilgungsanteilen noch ein einkommenserhöhender Wohnvorteil auf Seiten des Unterhaltspflichtigen gegenübersteht. Denn ohne die Zins- und Tilgungsleistung gäbe es den Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete nicht. Daraus folgt, dass die über den Zinsanteil hinausgehenden Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnwerts anzurechnen sind, ohne dass dies die Befugnis des Pflichtigen zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert (BGH, Beschl. v. 18.1.2017 – XII ZB 118/16, a.a.O., Rn 33).
Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH sind folglich auf einen vorhandenen Wohnvorteil zunächst die Zinsen und dann auch die Tilgungsleistungen anzurechnen, bis der Wohnvorteil aufgebraucht ist (Dose NZFam 2018, 429, 436). Denn der Erwerb und die Finanzierung des Wohneigentums gehen nur dann zu Lasten des Unterhaltsberechtigten, wenn dadurch das Einkommen geschmälert würde. An einer Einkommensschmälerung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten fehlt es aber, wenn und soweit den Tilgungsanteilen ein einkommenserhöhender Wohnvorteil auf Seiten des Unterhaltspflichtigen gegenübersteht.
Hinweis:
Ohne die Zins- und Tilgungsleistungen gäbe es auch den Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete nicht. Erreichen Zins- und Tilgungsleistungen die Höhe des Wohnvorteils nicht, bleibt in Höhe der Differenz ein einkommenserhöhender Wohnvorteil anrechenbar. Übersteigen die Zins- und Tilgungsleistungen hingegen den Wohnvorteil, wird er durch die Belastungen völlig aufgebraucht. Daraus folgt, d...