In der Praxis kommt auch die Anrechnung fiktiver Einkünfte wegen Versorgungsleistungen aufgrund der Betreuung eines neuen Partners in Betracht.
An sich wären solche Fälle über den Ausschlusstatbestand des § 1579 BGB zu erfassen. Ist allerdings der Zeitraum für die Annahme einer "festen sozialen Verbindung" nach § 1579 Nr. 2 BGB noch nicht erreicht (die h.M. verlangt hier i.d.R. eine Mindestdauer von zwei Jahren), bietet sich der Weg über die Anrechnung hypothetischer Einkünfte aufgrund der dem neuen Partner gegenüber erbrachten Betreuungs- und Versorgungsleistungen (BGH FamRZ 1989, 487; Born NZFam 2014, 351) an. Dazu muss allerdings auch eine Wirtschaftsgemeinschaft und nicht lediglich eine bloße Wohngemeinschaft vorliegen. Handelt es sich um eine bloße Wohngemeinschaft, kann ein Einkommen regelmäßig nur angerechnet werden, wenn der neue Partner Mietzinsen oder Nebenkosten allein bezahlt (BGH NJW 1995, 962; Born NZFam 2014, 351). Neben der Wohnungsgewährung zählen zu den Versorgungsleistungen sämtliche mit der Haushaltsführung verbundenen Arbeiten wie Kochen, Putzen, Waschen, Bügeln etc.
Hierbei wird die Höhe des anzurechnenden Betrags i.d.R. nach § 287 ZPO geschätzt, wobei es nicht zuletzt auf die Einkommensverhältnisse des neuen Partners ankommt. Der neue Partner muss über eigene Einkünfte verfügen, die es ihm ermöglichen, unter Wahrung seines angemessenen Selbstbehalts das Versorgungsentgelt zu entrichten.
Da es sich aber nicht um (fiktives) Erwerbseinkommen handelt, ist der Erwerbstätigenbonus nicht in Abzug zu bringen (BGH FamRZ 2001, 1693).
Erste Voraussetzung ist eine ausreichend substantiierte Behauptung des Unterhaltsverpflichteten, der Unterhaltsberechtigte erbringe Versorgungsleistungen. Der Unterhaltsberechtigte muss aufgrund des Vorbringens des Unterhaltsverpflichteten in der Lage sein, sich zu verteidigen und den Einwand zu widerlegen.
Zum Sachvortrag des Pflichtigen gehören auf jeden Fall auch die Angabe des Namens und die Anschrift des neuen Lebenspartners, für den die Versorgungsleistungen erbracht werden sollen. Erst durch die Namensangabe wird dem Unterhaltsberechtigten ermöglicht, dem Vorbringen entgegenzutreten und den neuen Lebenspartner als Zeugen zur Widerlegung der gegnerischen Behauptung anzubieten.
Da der Unterhaltsberechtigte für seine Bedürftigkeit darlegungs- und beweisbelastet ist, muss er bei entsprechend substantiiertem Sachvortrag den Einwand des Unterhaltsverpflichteten widerlegen, er erbringe einem neuen Partner Versorgungsleistungen und müsse sich dafür eine Vergütung anrechnen lassen (BGH FamRZ 1995, 291).
Bei unbestrittener Aufnahme eines neuen Partners in seine Wohnung hat der Berechtigte die Höhe des Entgelts für die Wohnungsgewährung und für sonstige Aufwendungen zu beweisen (BGH FamRZ 1995, 343). Gleiches gilt für Art und Umfang sowie den Wert der eigenen Versorgungsleistungen sowie für die Leistungsfähigkeit des neuen Partners.
Praxishinweise:
Damit das Familiengericht die Schätzung des Werts der Versorgungsleistungen vornehmen kann, ist es im Prozess die Aufgabe des Anwalts, auch zu den hierfür maßgeblichen Faktoren möglichst detaillierten Sachvortrag zu bringen!
Da die Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast für ihre Bedürftigkeit trägt, treffen sie die nachteiligen Folgen einer insoweit verbleibenden Ungewissheit (BGH, Urt. v. 11.1.1995 – XII ZR 236/93, FamRZ 1995, 343 = NJW 1995, 962).
Bei Zusammenleben und einer fehlenden Berufstätigkeit der Unterhaltsberechtigten spricht viel für die Annahme, dass geldwerte (hausfrauliche) Versorgungsleistungen gegenüber dem neuen Partner erbracht werden (BGH NJW 1995, 962; BGH NJW 1995, 1148).
Wird eine solche Haushaltsgemeinschaft mit Versorgungsleistungen oder gar das Zusammenleben bestritten, wird regelmäßig eine Beweisaufnahme erforderlich sein. In der Beweisaufnahme sollten folgende Fragen an die Ehefrau und ihren neuen Partner gestellt werden (Born NZFam 2014, 351):
- Was hat der neue Partner an persönlichen Gegenständen in der Wohnung der Ehefrau und umgekehrt?
- Wie finden Frühstück, Mittagessen und Abendessen statt?
- Welche Einzelheiten sind in Bezug auf das Putzen der Wohnung besprochen, wie wird es durchgeführt?