a) Alkohol
Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 ‰ die Fahrerlaubnis durch das Strafgericht entzogen worden, darf die Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung nicht allein wegen dieser Fahrerlaubnisentziehung von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen (OVG Saarlouis zfs 2018, 596 = NZV 2018, 535 [Koehl] im Anschluss an BVerwG DAR 2017, 533 = zfs 2017, 594 = VRR 8/2017, 20 [Pießkalla]). Wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss i. S. v. § 13 S. 1 Nr. 2b FeV mit der Folge einer Verpflichtung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sind in Fällen einer unterbrochenen Trunkenheitsfahrt nicht zwingend schon dann gegeben, wenn strafgerichtlich eine Verurteilung wegen einer in Tatmehrheit i. S. v. § 53 StGB begangenen Trunkenheitsfahrt erfolgt ist (OVG Münster NZV 2019, 158 [Voigt]). Bei alkoholabhängigen Personen besteht krankheitsbedingt jederzeit die Gefahr eines Kontrollverlusts und der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Begründen Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit, ist die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 13 S. 1 Nr. 1 FeV verpflichtet, die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen, ohne dass ihr insoweit ein Ermessensspielraum zustünde. Die Tatsache, dass eine Alkoholabhängigkeit bereits extern nachvollziehbar diagnostiziert wurde, ist ein Kriterium für ihr Vorliegen, insbesondere wenn die Diagnose von einer suchttherapeutischen Einrichtung gestellt oder eine Entgiftung durchgeführt wurde (VGH München zfs 2018, 655). Bevor die Straßenverkehrsbehörde die Fahrerlaubnis wegen wiederholten Alkoholmissbrauchs entzieht, muss sie Feststellungen dazu treffen, ob beim Fahrerlaubnisinhaber eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens nicht oder nicht mehr gegeben ist (OVG Saarlouis DAR 2018, 644).
b) Cannabis
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist ungeeignet zum Führen von Kfz, wer bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis den Konsum und das Fahren nicht trennen kann. Das OVG Schleswig (DAR 2018, 645 = zfs 2018, 650 = VRR 10/2018, 18 [Pießkalla] = NZV 2018, 439 [Koehl]) meint, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach einer erstmaligen Fahrt mit einem Kfz unter der Wirkung von Cannabis ab einem Wert von 1,0 ng/ml im Blutserum grundsätzlich von fehlendem Trennungsvermögen und damit von fehlender Eignung zum Führen von Kfz ausgehen kann. Eine durch einen hohen THC-Carbonsäurewert, hier von 230,0 ng/ml, nachgewiesener regelmäßiger Cannabiskonsum kann eine relative Gewöhnung, d.h. Giftfestigkeit zur Folge haben, die den Fahrerlaubnisinhaber "befähigt", in Grenzen routinierte Handlungsabläufe bei der Steuerung eines Kraftfahrzeugs auch im berauschten Zustand vorzunehmen. Die Abstinenzphase beginnt erst mit dem Eintritt in ein Drogenkontrollprogramm (OVG Berlin-Brandenburg zfs 2019, 56). Wird bei einer Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen Cannabis gefunden und wurde er deshalb verurteilt, so ist zu beachten, dass gem. § 14 Abs. 1 S. 2 FeV der widerrechtliche Besitz von Betäubungsmitteln nur die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens und damit weitere Sachaufklärung rechtfertigt (OVG Saarlouis zfs 2018, 719). Entschließt sich ein ehemaliger Drogenkonsument, auf die Einnahme von Betäubungsmitteln künftig vollständig zu verzichten, und ergibt ein medizinisch-psychologisches Gutachten, dass dieser Entschluss von einer ausreichenden Motivation getragen wird, ist es nicht erforderlich, der Behörde zusätzlich Abstinenz über einen bestimmten Zeitraum nachzuweisen (VG München NZV 2018, 486 [Pießkalla]).
Hinweis:
Zur fahrerlaubnisrechtlichen Behandlung von "Reichsbürgern" Müller/Rebler (NZV 2019, 119).
c) Verfahrensfragen
aa) Punktesystem
Bei der Berechnung des Punktestands gem. § 4 Abs. 5 S. 1 StVG sind nur solche Eintragungen im Fahreignungsregister zu berücksichtigen, deren Tilgungsfrist nach § 29 StVG noch nicht abgelaufen ist. Die für diese Eintragungen noch laufende Überliegefrist des § 29 Abs. 6 S. 2 StVG ändert daran nichts (OVG Berlin-Brandenburg NJW 2019, 103 [Ls.]; a.A. OVG Bautzen NJW 2018, 1337).
Hinweis:
Zur Punktereform Koehl (DAR 2019, 15) und Albrecht (DAR 2019, 129).
bb) Gutachtenanordnung
Die Mitteilung einer Hausärztin, wegen verschiedener Erkrankungen bestünden berechtigte Zweifel an der Fahreignung, stellt keine Tatsache i.S.d. § 11 Abs. 2 S. 1 FeV dar, die Bedenken gegen die körperliche und geistige Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs begründet und damit die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens rechtfertigt, solange keine Diagnose oder zumindest Symptome der Erkrankung oder sonstige konkrete Vorkommnisse genannt werden (VGH München NZV 2019, 39 m. Anm. Koehl = DAR 2018, 708 = zfs 2019, 58). Führt ein gelegentlicher Cannabiskonsument unter dem Einfluss von Cannabis ein fahrerlaubnispflichtiges Fahrzeug und handelt es sich um den ersten Vorfall dieser Art, kan...