1. Betriebsgefahr (§ 7 StVG)
Wird ein Kfz in seiner Funktion als Verkehrs- und Transportmittel entladen, handelt es sich bei dem Entladevorgang um einen Betrieb i.S.v. § 7 StVG. Dazu gehört auch das Abladen mit dem eigens dafür mitgeführten Stapler, selbst wenn dieser wegen einer bauartbeschränkten Geschwindigkeitsbegrenzung gem. § 8 StVG als Arbeitsmaschine selbst keiner Haftung nach § 7 StVG unterliegt. Eine Verbindung mit dem Betrieb des Kfz besteht bis zum Wiederaufladen des Staplers fort (LG Hamburg NZV 2019, 46 [Bachmor]).
Das Entfernen vom abgestellten und verschlossenen Fahrzeug stellt keine typische Fahrerhandlung mehr dar, sondern ein von den Aufgaben des Fahrzeugführers unabhängiges Verhalten, das von anderen Fußgängern, die sich möglicherweise unachtsam im Straßenverkehr bewegen, in gleicher Weise und mit gleichem Risiko verwirklicht werden kann (OLG Hamm VersR 2018, 1084 = VRR 12/2018, 10 [Knappmann]).
Bei einem berührungslosen Unfall ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs eines Kfz zu einem schädigenden Ereignis, dass es über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat. Das kann vorliegen, wenn ein Bremsmanöver zur Vermeidung einer Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug durchgeführt wird, unabhängig davon, ob das Bremsmanöver zur Vermeidung einer Kollision objektiv oder subjektiv erforderlich war oder sich als einzige Möglichkeit darstellte, eine Kollision zu vermeiden (OLG Celle DAR 2018, 683 = zfs 2019, 16). Ein Anscheinsbeweis greift im Falle eines berührungslosen Unfalls nicht ein (LG Hamburg NZV 2018, 530 [Bachmor]). Der angeblich bei einem Verkehrsunfall Geschädigte hat im Schadensersatzprozess darzulegen und ggf. zu beweisen, dass sich überhaupt ein Unfall ereignet hat und wer daran beteiligt war. Es gilt das Beweismaß des § 286 ZPO, wonach in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erforderlich und ausreichend ist, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (OLG Saarbrücken DAR 2019, 93 = NJW-RR 2019, 85).
Hinweis:
Der Geschädigte kann nicht durch bloßes Bestreiten der Aktivlegitimation dazu gezwungen werden, Auskünfte darüber zu erteilen, auf welche Weise er das Eigentum an dem Fahrzeug erlangt hat (OLG Düsseldorf DAR 2018, 626 = NZV 2018, 527 [Reimer]).
2. Haftungsverteilung und Mitverschulden (§§ 9, 17 StVG, § 254 BGB)
a) Kollisionen von Kfz
aa) Verstöße
Zum Begriff des anderen Verkehrsteilnehmers im Zusammenhang mit den Sorgfaltspflichten beim Rückwärtsfahren führt der BGH (NJW 2018, 3095 = DAR 2018, 562 = zfs 2018, 674 = VRR 10/2018, 8 [Burhoff] aus: "Anderer Verkehrsteilnehmer" i.S.d. § 9 Abs. 5, § 10 S. 1 StVO ist jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, d.h. körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt. Darunter fällt nicht nur der fließende Durchgangsverkehr auf der Straße, sondern jedenfalls auch derjenige, der auf der anderen Straßenseite vom Fahrbahnrand anfährt. Auf allein dem Ausfahren aus einem Parkhaus dienenden, äußerlich vergleichbaren Fahrbahnen gilt grundsätzlich entsprechend § 8 Abs. 1 StVO "rechts vor links". Beim Verlassen des durch eine Schranke begrenzten Parkbereichs kommt eine Anwendung der besonderen Sorgfaltspflichten nach § 10 StVO in Betracht (KG MDR 2018, 1435 = NZV 2019, 42 [Pletter]). Ein Überholverbot entbindet den Linksabbieger nicht von der Pflicht zur doppelten Rückschau (OLG Düsseldorf DAR 2018, 622 = NZV 2019, 44 [Reimer]). Verursacht ein Fahrzeugführer durch einen Gelblichtverstoß in Verbindung mit einem Überholen eines vor ihm haltenden Fahrzeugs über eine Linksabbiegerspur, um sodann verkehrswidrig geradeaus zu fahren, einen Verkehrsunfall mit einem ihm gegenüber abbiegendem Fahrzeug, hat er allein für die Unfallfolgen einzutreten. Die Betriebsgefahr des ihm entgegenkommenden Fahrzeugs aus dem Abbiegevorgang tritt dahinter in vollem Umfang zurück. Ein schuldhafter Verstoß des abbiegenden Fahrzeugführers gegen § 9 Abs. 3 StVO scheidet dagegen aus, wenn im Gegenverkehr der erste Fahrzeugführer gut erkennbar vor der roten Ampel anhält und nicht mehr mit dem Einfahren anderer Verkehrsteilnehmer in den Kreuzungsbereich zu rechnen ist (LG Essen VRR 1/2019, 15 [Nugel]).
Ein Sicherheitsabstand von 2 m auf das vorausfahrende Fahrzeug ist gerade im außerörtlichen Verkehr, immer unzureichend und macht eine rechtzeitige Reaktion auf Fahrmanöver des Vorausfahrenden unmöglich. Unterschreitet der Auffahrende den gebotenen Sicherheitsabstand in besonders gravierender Weise (hier: 2 m Abstand statt gebotener 10 m), tritt die Betriebsgefahr des vorausfahrenden Fahrzeugs vollständig zurück, selbst wenn ein geringer Verstoß des Vorausfahrenden gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO vorliegen sollte (OLG Hamm zfs 2019, 77 m. Anm. Diehl = NJW-RR 2019, 283).
Es kann der Billigkeit entsprechen, die Betriebsgefahr eines Lkw als nicht erheblich ins Gewicht fallend und gegenüber dem Verursachungsbeitrag des grob leichtfertig handelnden Klägers (hier: Überfahren der Sperrlinie zum ...