In Wirtschaftskrisen stellt sich stets die besondere Bedeutung eines funktionierenden Staats- und Bankenwesens heraus. Werden Betriebe faktisch geschlossen (z.B. Gastronomie), obwohl deren Inhaber oder Bedienstete nicht krankheits- oder ansteckungsverdächtig sind, oder brechen Kundenstämme durch Ausgangsbeschränkungen weg, mag das zur Gefahrenabwehr unerlässlich sein. Gleichwohl könnte es sich um "ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen" des Eigentumsrechts handeln, wobei vermutlich der Gesetzgeber in der Pflicht steht, Art und Ausmaß der Entschädigung zu regeln (vgl. Interview mit Papier, SZ vom 2.4.2020, S. 2).
Von nicht wenigen Kommentatoren wird eine wirtschaftliche Krise als – positiv zu wertende – "Marktbereinigung" angesehen. Dahinter steckt der Gedanke der "schöpferischen Zerstörung" (ein Begriff, der v.a. durch Joseph Schumpeter in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt wurde). Die dem Kapitalismus innewohnende Fähigkeit zu Innovation und technisch-wirtschaftlichem Fortschritt soll ältere, weniger effiziente Funktionen verdrängen bzw. zerstören. In dieser Reihenfolge ist der Gedanke richtig und die Zerstörung von Betrieben und Arbeitsplätzen bei Neuschaffung anderer kein Systemfehler, sondern systemimmanent. Teilweise wird die Kausalität aber umgekehrt und die Krise als "Reinigungskrise" begriffen oder von "Selbstheilungskräften des Marktes" ausgegangen, indem nicht (mehr) konkurrenzfähige Betriebe zerstört werden. Die dadurch frei werdenden Ressourcen (Arbeitskräfte, Verlagerung der Tätigkeiten) könnten wiederum für bessere und neue Schöpfung genutzt werden. Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung meinte in seinem Jahresgutachten 2013/2014 auf S. 218: "Kleine und mittlere Unternehmen spielen in vielen Sektoren eine volkswirtschaftlich wichtige Rolle. Allerdings ist vor wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die pauschal das Ziel haben, die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen in unveränderter Höhe aufrechtzuerhalten, zu warnen, denn solche Maßnahmen könnten den notwendigen Strukturwandel aufhalten." Eine Niedrigzinspolitik z.B. soll dazu führen, dass "Zombiefirmen" oder "Zombiebanken" entstehen oder am Leben gehalten werden, weil Kreditaufnahmen zu günstigen Bedingungen dazu führen könnten, die drohende Insolvenz durch die Aufnahme immer neuer Kredite weiter hinauszuzögern oder grundlegende Änderungen im Betrieb zu unterlassen.
Gegen zu großzügige Hilfen im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie wird daher eingewendet, dass der Staat ggf. "Pleite-Kandidaten" retten würde und der Staat vorwiegend denjenigen helfen sollte, die vor der Krise ein Liquiditätspolster angesammelt hätten, denn diese würden über ein grds. solides Geschäftsmodell verfügen (Busse, Gute Firmen, schlechte Firmen, SZ vom 2.4.2020, S. 17). Eine derartige Unterscheidung dürfte freilich kaum mit der Verfassung in Einklang stehen.
Das Problem an dieser Sicht ist, dass es nicht möglich ist, einen "Pleite-Kandidaten", der die Rettung nicht verdient, zu identifizieren. Anders ausgedrückt: Jeder Betrieb, der i.S.d. Insolvenzordnung (InsO) vor der Krise weder zahlungsunfähig (§ 17) noch überschuldet (§ 19) war, ist de jure kein "Pleitekandidat". Er ist auch aus wirtschaftlicher Sicht kein "Pleitekandidat", weil i.d.R. niemand den künftigen Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens absehen kann.
Man braucht nicht so weit zu gehen, wie es John Kenneth Galbraith als einer der bekanntesten Ökonomen des 20. Jahrhunderts getan hat, und zu behaupten, dass der Sinn und Zweck ökonomischer Vorhersagen darin bestehe, einerseits sogar Astrologie seriös erscheinen zu lassen und andererseits Wettervorhersagen als "schlechteste Vorhersagen" abzulösen, aber unfreiwillig passend hat der Ökonomie-Nobelpreisträger Robert Shiller aktuell die deutsche Ausgabe seines Buchs "Narrative Wirtschaft" vorgelegt. Er weist darauf hin, dass der wirtschaftliche Erfolg von Produkten/Unternehmen/Ideen von einer dahinterstehenden – viral gegangenen, d.h. "ansteckenden" – Geschichte abhängt. Der Rollkoffer z.B. wurde von John Allan May 1932 erfunden, aber der einzige, der ihn je ernst genommen hatte, war ein Erfinder, der ein paar Häuser neben ihm gewohnt hatte. Das Problem war: Niemand nahm diesen ernst! Erst als der Rollkoffer mit dem Narrativ, dass er von (glamourös aussehenden) Flugzeugcrews benutzt wird, verbunden wurde, ging die Geschichte des Rollkoffers "viral" (vgl. Shiller, Narrative Wirtschaft, S. 71 f.).
Zwar gibt es einerseits umfangreiche staatliche Maßnahmenpakete für Unternehmen, Solo-Selbstständige und Freiberufler (und wird es wohl weitere geben), aber andererseits könnten diese für eine beträchtliche Anzahl der Betroffenen zu gering ausfallen oder zu spät wirken. Ironischerweise hat der Verfasser bereits eine Serienmail einer Gruppe von "Firmenaufkäufern" erhalten, die gerade insolvent gewordene Firmen aufkaufen möchten und ihn um Vermittlung entsprechender Daten gebeten haben. Das s...