Das Thema Legal Tech ist in aller Munde. Insbesondere die Frage, welche Rechtsdienstleistungsbefugnisse nicht-anwaltlichen, aber als Inkassodienstleister registrierten Unternehmen zustehen, ist in den vergangenen Monaten äußerst kontrovers beurteilt worden (s. einerseits etwa Henssler, NJW 2019, 545 ff.; Kilian, NJW 2019, 1401 ff. und andererseits bspw. Römermann/Günther, NJW 2019, 551 ff.; Tolksdorf, ZIP 2019, 1401 ff.). Nach dem VIII. Zivilsenat (BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18 = ZAP EN-Nr. 2/2020; s. dazu die Besprechungen von Deckenbrock, DB 2020, 321 ff.; Henssler, BRAK-Mitt. 2020, 6 ff.) ist jedenfalls das Geschäftsmodell des Online-Portals "wenigermiete.de " nicht zu beanstanden. Die dahinterstehende LexFox GmbH macht aus abgetretenem Recht für Wohnraummieter gegenüber Vermietern wegen behaupteter Verstöße gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB) Auskunftsansprüche sowie Ansprüche auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten geltend. Dabei erhält sie als Vergütung im Fall des Erfolgs ihrer außergerichtlichen Bemühungen einen Anteil an der erreichten Mietrückzahlung in Höhe eines Drittels "der ersparten Jahresmiete". Den jeweiligen Mietern verspricht sie, dass ihnen – auch in den Fällen der Beauftragung eines Rechtsanwalts und der gerichtlichen Geltendmachung der Forderungen – keine Kosten entstehen.
Auch in diesem Zusammenhang ist verschiedentlich die Frage nach dem rechtspolitischen Handlungsbedarf aufgeworfen worden. Die Fraktion der FDP hat am 18.4.2019 einen Entwurf zur Regulierung des Rechtsdienstleistungsrechts in den Bundestag eingebracht (BT-Drucks 19/9527). Kernelement des Entwurfs ist die Angleichung der wettbewerbsrechtlichen Situation von Rechtsanwälten und Inkassodienstleistern durch die vollständige Aufhebung von § 49b Abs. 2 BRAO und § 4a RVG. Auch das Provisionsverbot in § 49b Abs. 3 BRAO soll partiell gelockert werden, sodass es vor Begründung eines Auftrags oder Mandats zulässig wäre, diese gegen eine Provision an Dritte zu vermitteln. Gleichzeitig soll der Definition "Rechtsdienstleistung" i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG ein weiterer Satz hinzugefügt werden, dass diese auch automatisiert erbracht werden können. Außerdem soll der Streit um die Zulässigkeit der beschriebenen inkassodienstlich betriebenen Online-Plattformen beigelegt werden, indem ein weiterer Erlaubnistatbestand aufgrund besonderer Sachkunde für automatisierte Rechtsdienstleistungen geschaffen wird. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zwar selbst keinen eigenen Gesetzesentwurf vorgelegt, fordert aber die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der im Rahmen einer entsprechenden Änderung des anwaltlichen Berufsrechts die Vereinbarung von Erfolgshonoraren bis zu einem bestimmten Streitwert zulässt und in Einzelfällen eine Lockerung des Verbots der Prozessfinanzierung (Übernahme der Gerichtskosten) in Betracht zieht, "um langfristig einen fairen Wettbewerb zwischen Anwaltschaft und nichtanwaltlichen Dienstleistern zu gewährleisten" (BT-Drucks 19/16884).
Der FDP-Entwurf, der bisweilen als bessere Alternative zu der "sachfremden Ausweitung der Inkassolizenz" bezeichnet wird (Remmertz, ZRP 2019, 139, 141), kann insgesamt nicht überzeugen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Gesetzgebungsverfahren erfolgreich abgeschlossen wird, dürfte gering sein. Bedenkt man, dass nach dem Entwurf bereits eine teilweise Automatisierung der Rechtsdienstleistungen genügen soll (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 RDG-E), um sich registrieren zu lassen, würde letztlich eine Berufsgruppe von Rechtsdienstleistern unterhalb der Anwaltschaft eingeführt. Ihr wären auch solche Dienstleistungsangebote erlaubt, die nicht im Zusammenhang mit einem Forderungseinzug stehen. Die Anforderungen an die Sachkundeprüfung, die weit unterhalb des Niveaus zweier juristischer Staatsexamina anzusiedeln sind, dürften keine große Hürde darstellen (Deckenbrock, DB 2020, 321, 327). Abzuwarten bleibt, ob vonseiten des BMJV die Initiative ergriffen wird, um die schwierigen Rechtsfragen, die sich beim Legal-Tech-Inkasso stellen, neu zu ordnen. Ein Regelungsbedarf ist insoweit unbestreitbar.
Zusammengestellt von Prof. Dr. Martin Henssler und Akademischer Rat Dr. Christian Deckenbrock, Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht an der Universität zu Köln
ZAP F., S. 507–524