Hinweis:
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. 2018, Rn 1355 ff., 1586 ff. Zur Entwicklung des Fahrverbots im Jahr 2019 Deutscher NZV 2020, 57.
a) Der Tatbestand des Fahrverbots
aa) Regelfälle
Der Tatbestand des Regelfalls für die Anordnung eines Fahrverbots kann bei sog. notstandsähnlichen Situationen entfallen. Der bloße Umstand eines plötzlich auftretenden Harndrangs bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, weil der Betroffene schneller zu einer Toilette gelangen wollte, kann nur in Ausnahmefällen geeignet sein, um von der Anordnung eines Regelfahrverbots abzusehen. Dagegen sprechen ein Verstoß in einer Innenstadt und fehlende Feststellungen dazu, warum der Betroffene nicht an einem anderen Ort, den er mit angemessener Geschwindigkeit hätte erreichen können, seine Notdurft verrichtet hat (OLG Brandenburg NZV 2020, 106 m. Anm. Kerkmann).
bb) Nicht-Regelfälle
Ist für einen Fahrstreifen einer mehrspurigen Autobahn nach § 37 Abs. 3 S. 2 StVO durch ein Dauerlichtzeichen "rote gekreuzte Schrägbalken" ein Fahrstreifenbenutzungsverbot angeordnet worden, gelten für diesen Abschnitt nicht die auf benachbarten Fahrspuren oder auf dem zuvor freigegebenen Abschnitt mit dem Verkehrszeichen 274 der Anlage 2 zur StVO angeordneten Beschränkungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Die Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit kann jedoch bei der Bemessung der Rechtsfolge berücksichtigt werden und eine Sanktionierung oberhalb von der Regelahndung nach der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV sowie die Verhängung eines Fahrverbots außerhalb vom Regelfahrverbot nach § 4 BKatV rechtfertigen (OLG Celle DAR 2019, 689 m. Anm. Krenberger = NZV 2020, 155 m. Anm. Balschun). Das BayObLG bewertet einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO (verbotene Nutzung elektronischer Geräte) in einer Reihe mit anderen typischen Massenverstößen wie Geschwindigkeitsüberschreitungen und Unterschreitungen des Mindestabstands. Die regelmäßig vorsätzliche Verwirklichung des Bußgeldtatbestands soll daher bei entsprechender Vorahndungslage auch dann, wenn die Voraussetzungen eines Regelfahrverbots nach Nr. 246.2 und 246.3 BKat (bei Gefährdung oder Sachbeschädigung) nicht gegeben sind, die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls der Beharrlichkeit nahelegen; nicht erforderlich sei, dass der Betroffene bereits wegen eines einschlägigen Verstoßes vorgeahndet ist (DAR 2019, 630 = zfs 2019, 588 m. Anm. Krenberger = VRR 9/2019, 22 m. abl. Anm. Deutscher; bekräftigt in zfs 2020, 172).
b) Die Angemessenheit des Fahrverbots
Bei abhängig Beschäftigten ist die Anordnung eines Fahrverbots unangemessen, wenn dies zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würde und die drohende Existenzgefährdung nicht durch anderweitige, zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann, etwa durch Verbüßung während des Urlaubs unter Berücksichtigung des bis zu viermonatigen Vollstreckungsaufschubs nach § 25 Abs. 2a StVG (OLG Zweibrücken zfs 2019, 653 = VRR 11/2019, 19 m. Anm. Deutscher).
c) Die Dauer des Fahrverbots
Das gesetzliche Mindestmaß des Fahrverbots beträgt einen Monat. Wird es angeordnet, darf die Mindestdauer weder aus Gründen des Übermaßverbots oder des Zeitablaufs noch wegen des Vorliegens einer privilegierenden Fallkonstellation, aufgrund derer von einem Fahrverbot gänzlich abgesehen oder ein an sich über der Mindestdauer von einem Monat festgesetztes Regelfahrverbot auf dieses abgekürzt werden dürfte, unterschritten werden. Aus der gesetzlichen Mindestdauer für das bußgeldrechtliche Fahrverbot folgt weiterhin, dass dieses auch nicht sukzessive, also unterteilt in Etappen, angeordnet werden darf (OLG Bamberg DAR 2019, 628 m. Anm. Krenberger = VRR 4/2020, 21 m. Anm. Deutscher = NZV 2020, 208 m. Anm. Rinio). Das OLG Hamburg (NStZ 2019, 529 = zfs 2019, 590 m. Anm. Krenberger = NZV 2019, 596 m. Anm. Rinio) hat aufgrund einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (Stichwort: Vollstreckungslösung) in der Rechtsbeschwerdeinstanz von einem Jahr und neun Monaten ein einmonatiges Fahrverbot für vollstreckt erklärt.