a) Alkohol
Alkoholabhängigkeit führt nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV zum Ausschluss der Eignung oder bedingten Eignung zum Führen von Kfz. Eine Alkoholabhängigkeit ist nicht aufgrund einer punktuellen Betrachtung "zum jetzigen Zeitpunkt" zu diagnostizieren. Eine dauerhafte Abstinenz ist neben einer erfolgreichen Entwöhnungsbehandlung Voraussetzung für die Wiedererlangung der Fahreignung. Die nur aufgrund mehrerer Kriterien zu stellende Diagnose der Abhängigkeit setzt nicht das Erreichen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration voraus. Eine Blutalkoholkonzentration von um die 2,00 ‰ spricht für eine erhebliche Alkoholgewöhnung (VGH München DAR 2020, 56 [Ls.]). Auch Personen, die keine Fahrerlaubnis besitzen, kann nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad (hier: BAK von 1,86 ‰) die Beibringung eines MPU-Gutachtens auferlegt und bei Nichtvorlage das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge untersagt werden (VG Augsburg VRR 12/2019, 21 m. Anm. Deutscher).
b) Cannabis
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist ungeeignet zum Führen von Kfz, wer bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis den Konsum und das Fahren nicht trennen kann. Bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter einer seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Wirkung von Cannabis ein Kfz geführt hat, darf die Fahrerlaubnisbehörde i.d.R. nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen. In solchen Fällen hat sie gem. § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden. Das soll auch bei zweimaligem Auffälligwerden gelten (OVG Münster VRR 3/2020 m. Anm. Urbanczyk). Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt den Konsum und das Führen eines Kfz nicht, wenn wegen des Cannabiskonsums die Möglichkeit einer Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit besteht. Von einer solchen Möglichkeit kann auch unter Berücksichtigung der Empfehlung der Grenzwertkommission vom September 2015 nach wie vor ausgegangen werden, wenn eine Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) von 1 ng/ml oder mehr im Blutserum des Betroffenen festgestellt wird (BVerwG NJW 2019, 3395 = DAR 2019, 338; DAR 2019, 637 m. Bespr. Kalus DAR 2019, 654; OVG Lüneburg zfs 2019, 657; zur Auswirkung dieser Entscheidungen auf den vorläufigen Rechtsschutz OVG Magdeburg DAR 2019, 702). Ist einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten entgegen dieser Rechtsprechung des BVerwG die Fahrerlaubnis beim ersten Verstoß gegen das Trennungsgebot entzogen worden, so hat die Fahrerlaubnisbehörde nunmehr auf Antrag des Betroffenen im Ermessen über die Rücknahme der Fahrerlaubnisentziehung zu entscheiden. Dabei ist das Rücknahmeermessen regelmäßig nicht auf null reduziert, da die Entziehung zum Zeitpunkt ihres Erlasses nicht offensichtlich rechtswidrig war (VGH München NJW 2020, 256).
Wird medizinisches Cannabis nicht entsprechend der ärztlichen Verordnung eingenommen, besteht nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV keine Fahreignung. Im Falle des Beigebrauchs von illegalem Cannabis oder fahreignungsrelevantem Mischkonsum mit Alkohol besteht bei Cannabispatienten ebenfalls keine Fahreignung. Erfolgt die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis erst nach einem Verstoß gegen das Trennungsgebot, hat die Fahrerlaubnisbehörde zu prüfen, ob durch die Verordnung die Fahreignungszweifel ausgeräumt sind. Gegebenenfalls sind entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einzuleiten (VGH München zfs 2019, 414 = NZV 2019, 543 m. Anm. Hühnermann; hierzu auch OVG Münster VRS 137, 52 = NZV 2019, 599 m. Anm. Gail; VG Düsseldorf BA 57 [2020], 61).
Hinweis:
Fahrerlaubnisrechtliche Fragen zu Medizinalcannabis behandelt Koehl DAR 2020, 74.
c) Medikamentenabhängigkeit
Die Abhängigkeit von einem bestimmungsgemäß eingenommenen betäubungsmittelhaltigen Arzneimittel fällt nicht unter Nr. 9.3 der Anlage 4 zur FeV, sondern wird von Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV erfasst. Bei der Frage der Wiedererlangung der Fahreignung nach Beendigung einer Medikamentenabhängigkeit, die durch einen bestimmungsgemäßen Gebrauch hervorgerufen wurde, findet deshalb nicht Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV Anwendung, sondern es muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entschieden werden, welche Anforderungen zu stellen sind. Lag früher ein illegaler Betäubungsmittelkonsum vor, ist im Regelfall nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV mit einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu klären, ob der Betreffende trotz der früheren Abhängigkeit von ärztlich verordneten Betäubungsmitteln ein Kfz sicher führen kann und nicht zu erwarten ist, dass er erneut (illegale) Betäubungsmittel konsumiert (VGH München zfs 2019, 598).
Hinweis:
Eine hochgradige Schwerhörigkeit, die zum Verlust der Fahreignung führt, ist nur vorhanden, wenn insgesamt und damit bezogen auf beide Ohren ein Hörverlust von 60 % oder mehr bei einer Person festgestellt werden kann (VG Würzburg VRR 2/2020, 27 m. Anm. Burhoff).
d) Verfahrensfragen (insb. Gutachtenanordnung)
Aus der Nichtbefolgung einer Gutachte...