aa) Fiktive Abrechnung
Die fiktive Abrechnung ist weiterhin trotz der abweichenden Ansicht des VII. Senats des BGH zum Werkvertragsrecht (BGHZ 218, 1 = NJW 2018, 1463) zulässig (OLG Frankfurt DAR 2020, 33 = VRR 1/2020, 13 m. Anm. Burhoff; OLG Düsseldorf DAR 2020, 142 m. Anm. Engel = NJW-RR 2019, 1119 = NZV 2020, 51 m. Anm. Pletter; a.A. LG Oldenburg DAR 2020, 37).
Hinweis:
Die Zukunft der fiktiven Abrechnung war Gegenstand des AK II des Verkehrsgerichtstags 2020 (näher Greger NZV 2020, 4; Sieger zfs 2020, 4; Wessel DAR 2020, 6).
Sind dem Geschädigten von markengebundenen Fachwerkstätten auf dem allgemeinen regionalen Markt Großkundenrabatte für Fahrzeugreparaturen eingeräumt worden, die er ohne Weiteres auch für die Reparatur des Unfallfahrzeugs in Anspruch nehmen könnte, so ist dies ein Umstand, der im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auch bei fiktiver Schadensabrechnung grds. zu berücksichtigen ist (BGH NJW 2020, 144 m. Anm. Schulz = DAR 2020, 83). Wird der fiktiv abrechnende Unfallgeschädigte vom gegnerischen Haftpflichtversicherer wirksam auf die günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Werkstatt verwiesen, sind der Schadensabrechnung die Stundenverrechnungssätze der Verweisungswerkstatt im Zeitpunkt des Unfallereignisses zugrunde zu legen. Eine danach erfolgte Preiserhöhung bleibt unberücksichtigt (LG Saarbrücken VRR 12/2019, 9 m. Anm. Burhoff; zum Zeitpunkt der Schadensabrechnung Zwickel NZV 2019, 616). Für die Frage der Zumutbarkeit einer Verweisung auf eine freie Werkstatt bei fiktiver Abrechnung der Reparaturkosten ist auf den Zeitpunkt des Unfalls abzustellen. Eine nach dem Unfall erstmalig erfolgte Inspektion in einer freien Werkstatt ändert an der Unzumutbarkeit der Verweisung aufgrund der zuvor ausschließlich in markengebundenen Werkstätten erfolgten Inspektionen nichts (AG Hannover NZV 2019, 595 m. Anm. Wenning). Der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte, der sich für die fiktive Abrechnung entscheidet, kann, soweit nach anschließender Durchführung der Reparatur die tatsächlichen Reparaturkosten höher sind als die fiktiven, auch noch den Differenzbetrag zwischen diesen und den tatsächlich angefallenen Kosten verlangen (LG Hamburg NJW 2019, 3463 = DAR 2019, 385 = zfs 2020, 18 m. Anm. Diehl = NZV 2020, 151 m. Anm. Pletter).
bb) Abrechnungsposten
Die zu beschädigten Kfz ergangene "130 %-Rechtsprechung" gilt auch für Fahrräder (OLG München zfs 2019, 440 m. Anm. Diehl = VRR 10/2019, 12 m. Anm. Burhoff). Ein Anspruch auf Ersatz der Beilackierungskosten bei fiktiver Abrechnung kann nicht mit der Begründung verneint werden, die Erforderlichkeit der Beilackierungskosten lasse sich erst nach durchgeführter Reparatur sicher beurteilen. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei der fiktiven Abrechnung eines Fahrzeugschadens stets eine gewisse Unsicherheit verbleibt, ob der objektiv zur Herstellung erforderliche, ex ante zu bemessende Betrag demjenigen entspricht, der bei einer tatsächlichen Durchführung der Reparatur angefallen wäre oder anfallen würde (BGH NJW 2020, 236 m. Anm. Vhua = DAR 2020, 21 = VRR 2/2020, 12 m. Anm. Nugel = zfs 2020, 143 m. Anm. Moser). Der Anspruch eines nicht vorsteuerabzugsberechtigten Leasingnehmers gegen den Schädiger auf Schadenersatz erstreckt sich auf die für die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs erhobene Umsatzsteuer. Hat der Leasingnehmer die Reparatur wie im Leasingvertrag vereinbart auf eigene Kosten und in eigenem Namen durchführen lassen, so gilt das auch dann, wenn der Leasinggeber und Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs vorsteuerabzugsberechtigt ist (OLG Brandenburg NJW 2019, 3795 m. Anm. Pletter = VRR 11/2019, 10 m. Anm. Burhoff).
cc) Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs
Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Etwas anderes gilt nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handelt, das sich jedenfalls auch mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Kfz befasst. In diesem Fall ist dem Geschädigten bei subjektbezogener Schadensbetrachtung die Inanspruchnahme des Restwertmarkts im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote zuzumuten (BGH NJW 2019, 3139 = NZV 2020, 84 m. Anm. Huber = DAR 2019, 566 = zfs 2019, 562 m. Anm. Diehl = VRR 10/2019, 9 m. Anm. Burhoff). Der Schaden für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ist unter Berücksichtigung eines Rabatts zu berechnen, den der Fahrzeughersteller Schwerbehinderten generell gewährt (OLG Frankfurt VRR 2/2020, 13 m. Anm. Burhoff).