Der Anspruch auf Einsicht in die relevanten Messunterlagen ist im Ermittlungsverfahren gegenüber der Verwaltungsbehörde geltend zu machen, bei Weigerung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG (zur Divergenz der richterlichen Zuständigkeit für das Verfahren nach § 62 OWiG und dem Bußgeldverfahren LG Heidelberg zfs 2020, 52 m. Anm. Krenberger). Aus dem Gebot des fairen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) folgt das Recht des Betroffenen, dass die Verwaltungsbehörde seinem Verteidiger oder einem von ihm beauftragten Sachverständigen nicht bei den Akten befindliche amtliche Messunterlagen zur Verfügung stellt, die erforderlich sind, um die "Parität des Wissens" herzustellen und die dem Betroffenen ermöglichen, die Berechtigung des auf das Ergebnis eines standardisierten Messverfahrens gestützten Tatvorwurfs mit Hilfe eines Sachverständigen zu überprüfen (KG VRR 10/2019, 17 m. Anm. Deutscher). Ob dies auch bei erst in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen auf Beiziehung und Einsicht gilt und welche Folgen insofern die Entscheidung des VerfGH Saarland hat (DAR 2018, 557 = NZV 2018, 275 m. Anm. Krenberger = VRR 6/2018, 15/StRR 6/2018, 22 jew. m. Anm. Deutscher), ist weiterhin noch nicht abschließend geklärt (abl. BayObLG DAR 2020, 145 m. Anm. Krenberger = VRR 1/2020, 17/StRR 1/2020, 27 jew. m. Anm. Deutscher; OLG Schleswig VRR 12/2019, 17 m. Anm. Niehaus). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll durch die bloße Nichtüberlassung von sich nicht bei der Akte befindenden Messunterlagen und Messdaten, die auch nicht Gegenstand der Urteilsfindung gewesen sind, nicht verletzt sein (OLG Stuttgart DAR 2019, 696 = zfs 2019, 712). Die Ansprüche auf effektiven Rechtsschutz und auf den gesetzlichen Richter sind aber verletzt, wenn ein Gericht die gesetzliche Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht willkürlich außer Acht lässt (hier: divergierende Rechtsprechung von OLG zu einem Anspruch des Betroffenen auf Überlassung der Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgeräts und der Messdaten; VerfGH Rheinland-Pfalz NZV 2020, 92 m. Anm. Krenberger).
Der Zulässigkeit der Beschwerde gegen die unterbliebene Beiziehung der Unterlagen und Daten im gerichtlichen Verfahren steht § 305 S. 1 StPO nicht entgegen. Im Bußgeldverfahren kann der Betroffene wegen der zu garantierenden "Parität des Wissens" bzw. der "Waffengleichheit" verlangen, Einsicht in sämtliche existenten, zur Überprüfung der Messung erforderlichen Messunterlagen zu nehmen, und zwar auch, soweit sich diese nicht in den Gerichtsakten, sondern in den Händen der Verwaltungsbehörde befinden (LG Köln DAR 2010, 698 = VRR 12/2019, 19 m. Anm. Deutscher).