1. Die Betriebsgefahr (§ 7 StVG)
Wird eine Betriebseinrichtung (wie Bremse, Lenkung) eines Kfz in einer Waschanlage genutzt und kommt es infolgedessen zu einem Unfall in der Waschstraße, ist dieser dem Betrieb des Kfz zuzurechnen (OLG Celle DAR 2020, 26). Wird ein Fahrzeug auf dem Förderband einer Waschstraße lediglich transportiert, ohne dass der Motor gestartet ist, befindet es sich nicht im Betrieb, sodass die Gefährdungshaftung aus § 7 StVG ausscheidet. Das Fahrzeug ist von seiner eigentlichen Funktion vollständig losgelöst und mit jedem beliebigen Gegenstand vergleichbar, der in gleicher Weise automatisch bewegt wird (OLG Koblenz NJW-RR 2019, 1363 = NZV 2020, 149 m. Anm. Exter). Auch ein Unfall infolge einer voreiligen, objektiv und subjektiv nicht erforderlichen Abwehr- oder Ausweichreaktion kann dem Betrieb des Kfz gem. § 7 StVG zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat. Stürzt ein den Gehweg befahrender Radfahrer, der einem auf dem Gehweg zurücksetzenden Pkw auf die Straße ausgewichen ist, erst beim Wiederauffahren auf den Gehsteig, führt dies nicht zu einer Verneinung des Zurechnungszusammenhangs zwischen Zurücksetzen und Ausweichmanöver (OLG Hamm NJW 2019, 3082). Wird ein nachfolgendes Fahrzeug durch einen Gegenstand beschädigt, der entweder durch das vorausfahrende Fahrzeug aufgewirbelt oder von diesem herabgefallen ist, so hat der Halter des vorausfahrenden Fahrzeugs gem. § 7 Abs. 1 StVG für den Schaden einzustehen, da sich die Rechtsgutsverletzung in beiden Fällen bei dem Betrieb des vorausfahrenden Fahrzeugs ereignet hat (OLG Düsseldorf NJW-RR 2019, 1166 = NZV 2020, 101 m. Anm. Pletter). Setzt sich eine Person den Triebkräften eines Pkw bewusst aus, indem sie sich hinter ein rollendes Fahrzeug stellt, um es aufzuhalten, geschieht das zwar beim Betrieb des Kfz, eine Haftung ist aber nach § 8 Nr. 2 StVG ausgeschlossen (OLG Köln NJW-RR 2020, 156). Erleidet ein Beifahrer einen Schwächeanfall, infolgedessen er dem Fahrer so ins Steuer fällt, dass dieser die Kontrolle über das Fahrzeug verliert und in den Gegenverkehr gerät, liegt für den Halter des entgegenkommenden Fahrzeugs, mit dem es zu einer Kollision kommt, kein Fall der höheren Gewalt vor, sodass dieser dem das Unfallgeschehen auslösenden, in dessen Folge schwer verletzten Beifahrer aus § 7 StVG haftet (OLG Koblenz NJW 2019, 3084 = DAR 2019, 574 = NZV 2019, 641 m. Anm. Kleine-König).
2. Verstöße, Haftungsverteilung und Mitverschulden (§§ 9, 17 StVG, 254 BGB)
a) Kollisionen von Kfz
aa) Verstöße
Kollidieren zwei jeweils rückwärts ausparkende Pkw auf einem unübersichtlichen Parkplatz, berechtigt allein der Umstand, dass einer der beiden Pkw in einem nicht näher einzugrenzenden Zeitpunkt vor dem Zusammenstoß zum Stehen gekommen war, insoweit nicht zur Annahme eines unabwendbaren Ereignisses und tritt die Betriebsgefahr dieses Pkw im Einzelfall nicht schon wegen des vorkollisionären Stillstands zurück (OLG Saarbrücken NJW-RR 2019, 1435 = zfs 2020, 76 = NZV 2020, 103 m. Anm. Bachmor).
Die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 4 S. 1 StVO, wonach derjenige, der nach links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen muss, setzt einen typischen Geschehensablauf voraus. An einem solchen fehlt es, wenn im betreffenden Bereich zum einen Ampelzeichen vorgehen und zum anderen darüber hinaus eine gesonderte Lichtzeichenregelung für Linksabbieger vorhanden ist. In einer Kreuzungsräumer-Situation darf nur derjenige Verkehrsteilnehmer den Bereich bevorrechtigt räumen, von dem andernfalls, d.h. bei Verbleiben im Kreuzungskernbereich eine besondere Gefährdung für den übrigen Verkehr, insb. für den wieder einsetzenden Querverkehr, ausgehen würde (KG DAR 2019, 619 = NZV 2019, 310 m. Anm. Bachmor; zum Vorrang des Kreuzungsräumers Kuhnke NZV 2019, 593; zum Linksabbieger Lamberz NZV 2019, 603). Die Grundsätze, nach denen einem Nachzügler bei einer durch Lichtzeichenanlage geregelten Kreuzung durch den eigentlich nunmehr bevorrechtigten Querverkehr das Verlassen der Kreuzung ermöglicht werden soll, gelten dann nicht, wenn der Nachzügler beim Wechsel der Lichtzeichen noch nicht den inneren Bereich der Kreuzung erreicht hat (sog. unechter Kreuzungsräumer; KG NJW-RR 2019, 1433).
Der in dem einzigen zulässigen Linksabbiegerfahrstreifen Nachfolgende darf dem Voranfahrenden dessen Recht, zwischen mehreren markierten Fahrstreifen der Straße, in die abgebogen wird, zu wählen, nicht vorzeitig durch starkes Beschleunigen streitig machen, sondern hat abzuwarten, bis sich der Voranfahrende endgültig eingeordnet hat. Das Wahlrecht des Voranfahrenden endet erst mit seiner endgültigen Einordnung in einen Fahrstreifen, also. i.d.R. frühestens 15 bis 20 m nach dem Beginn der Fahrstreifenmarkierungen (KG DAR 2020, 141 = NJW-RR 2020, 219).
bb) Quotenbildung und Mitverschulden
Wird die höchstzulässige Geschwindigkeit um mehr als das Doppelte überschritten und liegt die Geschwindigkeit innerorts absolut über 100 km/h, ist ein besonders schwerer Verkehrsverstoß gegeben, der i.d.R. zu einer Alleinhaftung führt, auch wenn der Handelnde an sich die Vorfahrt hat (KG DAR 2020, 23 = VRR 3/2020, 10 m. Anm. Burhoff = z...