Zusammenfassung
Das Mietverhältnis als Dauerschuldverhältnis birgt bisweilen erhebliches Konfliktpotenzial. Dabei kann das Verhalten beider Parteien durchaus die Grenze zur strafrechtlichen Relevanz überschreiten. Der vorliegende Beitrag stellt die insoweit praktisch bedeutsamsten Straftatbestände dar und geht auf die aktuelle Rechtsprechung zu ihren möglichen mietrechtlichen Auswirkungen ein.
I. Mieterseits begangene Straftaten
1. Außerordentliche fristlose Kündigung als Folge
a) Ehrverletzungsdelikte
Die Ehrverletzungsdelikte – praktisch am bedeutsamsten sind insoweit die Beleidigung, § 185 StGB, die üble Nachrede, § 186 StGB, und die Verleumdung, § 187 StGB – schützen primär die persönliche Ehre. Es handelt sich grds., wie sich aus § 194 Abs. 1 S. 1 StGB ergibt, um absolute Strafantragsdelikte, wobei insb. die dreimonatige Frist des § 77b Abs. 1 StGB beachtet werden muss. Zudem sind die Ehrverletzungsdelikte nach § 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO Privatklagedelikte. Die Staatsanwaltschaft wird sie daher nur verfolgen, wenn daran ein öffentliches Interesse i.S.d. § 376 StPO besteht, und den Verletzten andernfalls auf den Privatklageweg verweisen.
§ 185 StGB erfasst die Beleidigung eines anderen, d.h. die Kundgabe einer Miss-, Nicht- oder Geringachtung seiner persönlichen Ehre (Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm, § 185 Rn 2). Diese kann erfolgen durch die Äußerung von Werturteilen gegenüber dem Verletzten oder gegenüber Dritten sowie durch die Äußerung einer ehrenrührigen, unwahren Tatsache gegenüber dem Verletzten (Lackner/Kühl/Kühl, § 185 Rn 2). Werturteile sind rein subjektive Meinungen und Einschätzungen (z.B. "Arschloch", Zeigen des Mittelfingers), während Tatsachen Ereignisse, Vorgänge oder Zustände sind, die als wahr oder unwahr bewiesen werden können (z.B. "Du bist ein Betrüger!"), wobei der Übergang oft fließend ist (Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm, § 186 Rn 3 f.). Die Äußerung muss nicht ausdrücklich (z.B. mündlich, schriftlich), sondern kann auch durch Gesten oder Tätlichkeiten (z.B. Anspucken) erfolgen (Lackner/Kühl/Kühl, § 185 Rn 4). Nicht erfasst werden Äußerungen im engsten Kreis, insb. im Familienkreis (sog. beleidigungsfreie Sphäre, z.B. Frau bezeichnet ihre Chefin gegenüber ihrem Mann als "dämliche Kuh"; Lackner/Kühl/Kühl, § 185 Rn 9). In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz vorausgesetzt.
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 30.3.2017 – 381 C 1469/16 (juris): Bespuckt die Mieterin den Hausmeister der Vermieterin und äußert: "Halt’s Maul, blödes Arschloch", rechtfertigt dies eine außerordentliche fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB ohne vorherige Abmahnung. Die Mieterin hat durch ihr Verhalten das Verhältnis der Parteien so stark beschädigt, dass der Vermieterin keine Fortsetzung des Mietverhältnisses zugemutet werden kann.
LG München I, Urt. v. 27.9.2017 – 14 S 288/17, ZMR 2018, 47 f.: Bezeichnet der Mieter eine Nachbarin als "Hure", rechtfertigt dies eine außerordentliche fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB. Der Begriff kann dabei nicht als Ausdruck einer allgemeinen Sprachverschiebung angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um eine Formalbeleidigung, die – anders als bloße Unhöflichkeiten oder sonstige missliebige Verhaltensweisen ohne ehrverletzenden Charakter – grds. geeignet ist, dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar zu machen. Es müssen aber stets die Begleitumstände der Äußerung berücksichtigt werden. Eine Beleidigung stellt sich als weniger verletzend dar, wenn sie aus einer Provokation heraus, im Zusammenhang mit einer bereits streitigen Atmosphäre oder infolge einer momentanen und vereinzelt gebliebenen Unbeherrschtheit erfolgt. Demgegenüber haben andere Beleidigungen ein solches Gewicht, dass die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung auf der Hand liegt. Bei einer derart gravierenden Pflichtverletzung ist die sofortige Kündigung ohne vorherige Abmahnung möglich.
Hinweis:
Von einer Formalbeleidigung spricht man, wenn schon aus der Form der Äußerung (z.B. Gebrauch von Schimpfworten, besonders gehässiger Tonfall) oder aus den Umständen, unter denen sie erfolgt, das Vorhandensein einer Beleidigung hervorgeht (Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm, § 193 Rn 26 ff.).
§ 186 Alt. 1 StGB erfasst die üble Nachrede, d.h. das Behaupten oder Verbreiten von ehrenrührigen Tatsachen gegenüber Dritten in Bezug auf einen anderen (z.B. "Der Nachbar ist wegen Diebstahls verurteilt worden"). Die Äußerung von Werturteilen ist hier also nicht tatbestandsmäßig. Behaupten heißt, etwas als nach eigener Überzeugung gewiss oder richtig darzustellen; Verbreiten meint, etwas als von dritter Seite gehört mitzuteilen (nicht erforderlich ist die Kundgabe gegenüber einer Vielzahl von Personen, es genügt eine einzige Person als Empfänger der Äußerung; Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm, § 186 Rn 7 f.). Die behauptete oder verbreitete Tatsache muss die Eignung zur Verächtlichmachung oder zur Herabwürdigung in der öffentlichen Meinung aufweisen. Dass es tatsächlich hierzu kommt, ist nicht notwendig. Es wird ein genereller Maßstab angelegt, sodass es nicht genügt, wenn die Tatsache lediglich geeignet ist, das Opfer nur im ...