1. Überblick
Mit Gesetz vom 15.12.1999 (BGBl I S. 2400) hat der Gesetzgeber in § 15a EGZPO die Landesjustizverwaltungen ermächtigt, Gütestellen zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung einzurichten. Davon Gebrauch gemacht haben Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Soweit solche Stellen eingerichtet sind, handelt es sich um Gütestellen i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (§ 15a Abs. 6 EGZPO).
Besteht danach die Verpflichtung, ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren durchzuführen, ist eine Klage unzulässig, der nicht ein solches Verfahren vorausgegangen ist. Das Schlichtungsverfahren muss vor Klageerhebung durchgeführt worden sein. Ein nach Klageerhebung nachgeholtes Schlichtungsverfahren ist nicht ausreichend und führt nicht zur nachträglichen Zulässigkeit der Klage. Die Klage muss vielmehr auch in diesem Fall als unzulässig abgewiesen werden (BGH NJW 2005, 437 = MDR 2005, 285 = AnwBl 2005, 292 = VersR 2005, 708), unbeschadet der Möglichkeit, aufgrund des nachgeholten Schlichtungsverfahrens erneut zu klagen.
Wird der Anwalt in einem solchen Streitschlichtungsverfahren gem. § 15a EGZPO tätig, so richtet sich seine Vergütung nach Teil 2 Abschnitt 3 VV RVG. Ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren stellt eine eigene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG dar (§ 17 Nr. 7 Buchst. a) RVG. Dies gilt sowohl gegenüber der vorangegangenen außergerichtlichen Vertretung als auch gegenüber einem nachfolgenden Rechtsstreit (AnwK-RVG/N. Schneider Nr. 2303 VV RVG Rn. 1). Insgesamt können also drei Angelegenheiten gegeben sein, nämlich
- außergerichtliche Vertretung,
- Vertretung im Güte- oder Schlichtungsverfahren und
- Vertretung im Rechtsstreit.
Praxishinweis:
In allen drei Angelegenheiten erhält der Anwalt seine Gebühren und Auslagen gesondert, insbesondere auch jeweils eine gesonderte Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV RVG.
2. Geschäftsgebühr
Für seine Vertretung in einem Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO erhält der Anwalt eine 1,5-Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 Nr. 1 VV RVG. Im Gegensatz zur Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG steht dem Anwalt bei der Gebührenhöhe kein Rahmen und damit kein Ermessensspielraum zu. Der Gebührensatz steht fest.
Beispiel 1:
Der Anwalt vertritt den Mandanten in einem obligatorischen Streitschlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO (Gegenstandswert: 2.500 EUR).
Der Anwalt erhält eine 1,5-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer.
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2303 Nr. 1 VV RVG (Wert: 2.500 EUR) |
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301,50 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
321,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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61,09 EUR |
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Gesamt |
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382,59 EUR |
Eine Schwellengebühr (Anm. zu Nr. 2300 VV RVG) ist hier nicht vorgesehen. Die 1,5-Gebühr entsteht daher auch, wenn die Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig war. Ebenso wenig ist eine geringere Gebühr für ein einfaches Schreiben (Nr. 2301 VV RVG) vorgesehen, etwa wenn sich die Tätigkeit des Anwalts auftragsgemäß auf ein einfaches Schreiben im Verfahren beschränkt.
Beispiel 2:
Dem Mandanten ist ein Antrag auf Durchführung eines obligatorischen Streitschlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO (Gegenstandswert: 2.500 EUR) zugestellt worden. Der Mandant beauftragt den Anwalt, dem Schlichter zu schreiben, dass er eine Schlichtung ablehnt und zum anberaumten Termin nicht erscheinen wird.
Auch wenn man davon ausgeht, dass sich der Auftrag auf ein einfaches Schreiben beschränkt hat, kann der Anwalt die volle 1,5-Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 Nr. 1 VV RVG verlangen. Abzurechnen ist daher wie im vorangegangenen Beispiel 1.
Ebenso wenig ist eine Reduzierung dieser Gebühr vorgesehen, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt. Auch eine der Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG vergleichbare Vorschrift fehlt. Es bleibt daher auch hier immer bei einer 1,5-Geschäftsgebühr.
Beispiel 3:
Der Anwalt erhält den Auftrag, für den Mandanten ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO einzuleiten (Gegenstandswert: 2.500 EUR). Vor Antragstellung erledigt sich das Verfahren.
Eine Gebührenreduzierung wegen vorzeitiger Erledigung ist nicht vorgesehen. Auch eine Reduzierung über § 14 Abs. 1 RVG kommt nicht in Betracht, da es sich um einen festen Gebührensatz handelt. Es bleibt also bei einer 1,5-Gebühr nach Nr. 2303 Nr. 1 VV RVG. Abzurechnen ist wie in Beispiel 1.
Möglich ist allerdings die Erhöhung der Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG bei Vertretung mehrerer Auftraggeber. Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, erhöht sich der Gebührensatz nach Nr. 1008 VV RVG um jeweils 0,3 je weiteren Auftraggeber.
Beispiel 4:
Der Anwalt vertritt in einem obligatorischen Streitschlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO ein Eigentümerehepaar, das vom Nachbarn den Rückschnitt einer an der Grundstücksgrenze stehenden Hecke verlangt (Gegenstandswert: 2.500 EUR).
Der Anwalt erhält eine um 0,3 erhöhte Geschäftsgebühr.