Fast jeder dritte Mensch in Deutschland hat in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erlebt. Das ist ein zentrales Ergebnis der umfassenden Erhebung "Diskriminierung in Deutschland", die die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kürzlich vorgestellt hat.
Die Untersuchung der Antidiskriminierungsstelle basierte auf zwei Säulen: In einer repräsentativen Umfrage des Bielefelder SOKO Institut für Sozialforschung und Kommunikation wurden rund 1.000 Personen ab 14 Jahren bundesweit telefonisch befragt. Diese Ergebnisse geben einen Überblick darüber, wie verbreitet Diskriminierung in Deutschland ist. In einer umfassenden schriftlichen Betroffenenbefragung konnten überdies alle in Deutschland lebenden Menschen ab 14 Jahren über selbst erlebte oder beobachtete Diskriminierungserfahrungen berichten. Mehr als 18.000 Personen haben sich beteiligt und knapp 17.000 selbst erlebte Diskriminierungssituationen beschrieben. Die Umfrage wurde gemeinsam mit dem Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Berliner Humboldt-Universität durchgeführt. Die Betroffenenbefragung ist damit die größte, die es bislang in Deutschland zu diesem Thema gegeben hat.
Die zentralen Ergebnisse der Erhebung sind, dass Diskriminierungserfahrungen weit verbreitet sind und besonders im Alter und im Arbeitsleben vorkommen. Befragt nach Diskriminierungen aufgrund eines der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Merkmale (Alter, Behinderung, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion/Weltanschauung, sexuelle Identität), geben in der Repräsentativbefragung 31,4 % der Menschen in Deutschland an, in den vergangenen zwei Jahren Benachteiligungen erlebt zu haben. Wenn auch die vom Gesetz nicht geschützten Merkmale, etwa die soziale Herkunft, der Familienstand oder das Aussehen, hinzugezählt werden, berichten 35,6 % von Diskriminierungserfahrungen. Benachteiligungen aufgrund des Alters wurden am häufigsten erlebt: Etwa jede siebte Person (14,8 %) gibt an, hier Erfahrungen gemacht zu haben. Aufgrund des Geschlechts bzw. der Geschlechtsidentität wurde laut Befragung fast jede zehnte Person diskriminiert (9,2 %), aufgrund der Religion oder Weltanschauung 8,8 %, der ethnischen Herkunft 8,4 %, einer Behinderung 7,9 % und der sexuellen Orientierung 2,4 % aller Befragten. Anhand der Betroffenenbefragung, in der die Teilnehmenden ausführlich einzelne Diskriminierungserfahrungen schildern konnten, wird deutlich, dass Benachteiligung häufig aufgrund mehrerer Merkmale gleichzeitig stattfindet, etwa aufgrund des Geschlechts und des Alters.
Besonders häufig wurden auch Diskriminierungen beim Zugang zu Beschäftigung und am Arbeitsplatz festgestellt. Von Benachteiligungen in diesem Bereich berichteten fast die Hälfte (48,9 %) der Menschen, die in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erlebt haben. Wie ein vertiefender Blick auf die Betroffenenbefragung zeigt, kommen Diskriminierungen im Arbeitsleben vergleichsweise häufig aufgrund des Lebensalters sowie des Geschlechts vor. Wegen ihrer sexuellen Orientierung oder aus rassistischen Gründen werden Menschen hingegen überdurchschnittlich häufig in der Öffentlichkeit und im Freizeitbereich diskriminiert: etwa auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Sportvereinen. Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen gaben häufiger als andere Diskriminierungserfahrungen im Gesundheits- und Pflegebereich an.
"Knapp zehn Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist es höchste Zeit für eine rechtliche Stärkung der Menschen, die Diskriminierung erleben. Auch sollten wir jetzt eine Fortentwicklung des gesetzlichen Diskriminierungsschutzes in den Blick nehmen", kommentierte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, diese Ergebnisse. Sie regt deshalb ein eigenes Klagerecht für Diskriminierungsverbände sowie die Antidiskriminierungsstelle an: "Es muss endlich möglich sein, Betroffene vor Gericht effektiv zu unterstützen – wie es in vielen anderen europäischen Ländern längst möglich ist", so Lüders.
[Quelle: Bundesregierung]