1. Einstellung im Verfahren auf Erlass eines Strafbefehls
Beantragt die Staatsanwaltschaft nach Eröffnung des Hauptverfahrens den Erlass eines Strafbefehls, der auch die Entziehung der Fahrerlaubnis vorsieht, muss das Gericht dem Beschuldigten, wenn er noch keinen Verteidiger hat, einen solchen bestellen (§ 408b S. 1 StPO). Erreicht der bestellte Verteidiger in dieser Phase, dass das Verfahren eingestellt wird, verdient er eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV RVG. Die Einstellung macht auch in diesem Fall die Hauptverhandlung entbehrlich. Würde es nämlich nicht zu einer Einstellung kommen, müsste das Gericht entweder eine Hauptverhandlung anberaumen (§ 408 Abs. 3 StPO) oder den Strafbefehl erlassen. Dagegen könnte dann aber Einspruch eingelegt werden, so dass auch in diesem Fall eine Hauptverhandlung droht, die die frühzeitige Einstellung im Strafbefehlsverfahren verhindert.
Zwar besteht auch die Möglichkeit, dass der Richter den Antrag auf Erlass des Strafbefehls zurückweist; aber auch dann würde der Verteidiger die Zusätzliche Gebühr verdienen (s.u. 4.). Daher ist es zutreffend bei einer Einstellung bereits im Verfahren auf Erlass eines Strafbefehls die Zusätzliche Gebühr zu gewähren. Diese Gebühr wird auch von der beschränkten Beiordnung nach § 408b StPO erfasst.
AG Berlin-Tiergarten, Beschl. v. 1.9.2015 – (271 Cs) 234 Js 217/13 (167/13):
Auch der nur für das Strafbefehlsverfahren beigeordnete Anwalt kann eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG verdienen (AGS 2015, 511 = NJW-Spezial 2015, 733 = RVGreport 2016, 20 = RVGprof. 2016, 43).
2. Rücknahme der Anklage oder des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls
Nimmt die Staatsanwaltschaft ihre Anklage oder ihren Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurück, so löst dies für den Verteidiger noch keine Zusätzliche Gebühr aus, auch wenn er daran mitgewirkt hat, etwa durch eine entsprechende Einlassung oder Gegenerklärung. Grund hierfür ist, dass das Verfahren mit der Rücknahme noch nicht erledigt ist, sondern die Staatsanwaltschaft jederzeit erneut Anklage erheben oder erneut den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellen kann. Erst wenn nach Rücknahme der Anklage oder des Strafbefehlsantrags auch das Verfahren eingestellt wird, löst dies die Zusätzliche Gebühr aus, dann allerdings nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV RVG.
LG Düsseldorf, Beschl. v. 2.11.2009 – 10 Qs 69/09:
Nach Anm. Abs. 1 S. Nr. 1 Nr. 4141 VV RVG entsteht eine Zusätzliche Gebühr, wenn der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls durch die Staatsanwaltschaft zurückgenommen und das Verfahren endgültig eingestellt wird (AGS 2011, 430 = AG kompakt 2011, 6).
OLG Köln, Beschl. v. 5.2.2010 – 2 Ws 39/10:
Wird eine zunächst vor der großen Strafkammer erhobene Anklage zurückgenommen und sodann inhaltsgleich an die Jugendkammer gerichtet, so liegt nur ein Rechtsfall im gebührenrechtlichen Sinn vor. Die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG entsteht nur dann, wenn die Rücknahme der Anklage nicht nur zur vorläufigen Einstellung des Verfahrens führt (AGS 2010, 175 = JurBüro 2010, 362).
3. Nichteröffnung des Hauptverfahrens
Beschließt das Gericht, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen, löst dies nach Anm. S. 1 Nr. 2 zu Nr. 4141 VV RVG eine Zusätzliche Gebühr aus. Zum Teil wird vertreten, der Beschluss müsse auch rechtskräftig werden.
LG Potsdam, Beschl. v. 20.4.2012 – 24 Qs 64/11:
Wird unter Mitwirkung des Verteidigers die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und nach erfolgreichem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft das Hauptverfahren eröffnet und die Hauptverhandlung durchgeführt, so entsteht keine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG (AGS 2012, 564 = JurBüro 2012, 470 = NStZ-RR 2013).
Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Der Gesetzgeber hat nicht auf die Rechtskraft der Entscheidung abgestellt, sondern darauf, dass das Gericht beschließt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen. So ist es auch in den Fällen einer Einstellung nicht erforderlich, dass diese bestandskräftig wird. Wird ein Verfahren eingestellt, später aber wieder aufgenommen, bleibt dem Anwalt die Zusätzliche Gebühr erhalten (s.u. 11). Nichts anderes kann aber gelten, wenn aufgrund einer Beschwerde das Hauptverfahren doch eröffnet oder der Strafbefehl doch erlassen wird.
4. Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls
Weist das Gericht den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurück, steht dies nach § 408 Abs. 2 S. 2 StPO einem Beschluss gleich, mit dem die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird. Es tritt also bei Rechtskraft der Entscheidung beschränkter Strafklageverbrauch ein. Dies rechtfertigt es daher, in diesem Fall in entsprechender Anwendung Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 zu Nr. 4141 VV RVG eine Zusätzliche Gebühr zu gewähren.
Anderer Ansicht ist allerdings das AG Rosenheim.
AG Rosenheim, Beschl. v. 26.8.2014 – 8 Cs 420 Js 25786/12:
Für den im Ermittlungsverfahren für den Beschuldigten tätigen Verteidiger fällt die Zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG nicht an, wenn das Gericht den Erlass eines von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl ablehnt (AGS 2014, 553 = RVGreport 2014, 470 = StRR 2014, 459).
Diese Entscheidung ist jedoch unzutreffend. Das AG Rosenheim stellt darauf ab, dass bei Zurückweisung des Antrags auf Erlass e...