1. Erledigung durch Strafbefehl
Immer wieder wird diskutiert, ob die Zusätzliche Gebühr auch dann zu gewähren sei, wenn der Verteidiger durch seine Mitwirkung – insbesondere durch seine Verhandlungen mit Staatsanwaltschaft und ggf. mit dem Gericht – erreicht, dass es nicht zur Anklageerhebung kommt, sondern dass die Sache im Strafbefehlsverfahren erledigt wird. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es ggf. einen erhöhten Aufwand verursache, Staatsanwaltschaft und Gericht davon zu überzeugen, die Sache im Strafbefehlsverfahren zu erledigen und keine Anklage zu erheben.
Eine solche erweiterte Auslegung der Nr. 4141 VV RVG ginge jedoch zu weit. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift nicht auch auf diese Fälle ausdehnen wollen. Ein eventueller Mehraufwand kann hier nur im Rahmen der Verfahrensgebühr nach § 14 Abs. 1 RVG berücksichtigt werden, löst aber keine Zusätzliche Gebühr aus. Zwar vermeidet der Erlass eines Strafbefehls letztlich auch die Hauptverhandlung, die im Falle der Zulassung der Anklage zwingend wäre. Jedoch erfasst Nr. 4141 VV RVG nicht alle Fälle, in denen die Hauptverhandlung vermieden wird, sondern nur die, die der Gesetzgeber als belohnenswert angesehen hat. Dazu gehört gerade nicht der Fall, dass ohne weiteres im Strafbefehlsverfahren entschieden wird.
2. Abraten vom Einspruch
Ist gegen den Beschuldigten ein Strafbefehl ergangen und rät der Verteidiger von einem Einspruch ab, löst dies noch keine Zusätzliche Gebühr aus. Das bloße Abraten, Einspruch einzulegen, wird vielmehr durch die Verfahrensgebühr mit abgegolten und ist ggf. hier im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG zu bewerten.
AG Hamburg-St. Georg, Urt. v. 21.11.2014 – 911 C 348/14:
Die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG fällt nicht an, wenn der Verteidiger seinen Mandanten lediglich dahingehend berät, einen erlassenen Strafbefehl hinzunehmen und keinen Einspruch dagegen einzulegen (AGS 2015, 70 = zfs 2015, 228 = NJW-Spezial 2015, 123 = RVGreport 2015, 143).
3. Abraten von einem Rechtsmittel
Ebenso entsteht keine Zusätzliche Gebühr für das Abraten von einem Rechtsmittel.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 20.5.2009 – 2 Ws 132/09:
Die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG fällt nicht an, wenn der Verteidiger den Verurteilten dahingehend berät, ein den Rechtszug beendendes Urteil oder den erlassenen Strafbefehl hinzunehmen und kein Rechtsmittel einzulegen (AGS 2009, 534 = Rpfleger 2009, 645 = RVGreport 2009, 464).
A.A. ist das AG Tiergarten:
AG Tiergarten, Beschl. v. 22. 12. 2009 – (420) 47 Js 395/08 Ls (60/08):
Die Befriedigungsgebühr kann auch – mittelbar – durch das Nichteinlegen eines Rechtsmittels entstehen, wenn infolge der Tätigkeit des Rechtsanwalts dadurch in einem weiteren Verfahren eine Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO erfolgt. Die Gebühr fällt dann in jenem Verfahren an (AGS 2010, 220 = RVGprof. 2010, 40 = NStZ-RR 2010, 128 = RVGreport 2010, 140).
Autor: Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
ZAP 11/2016, S. 591 – 604