Leitsätze des Bearbeiters:
- Die Rechtsschutzversicherung eines Rechtsanwalts ist nicht eintrittspflichtig, wenn der Rechtsanwalt durch einen vorsätzlichen Verstoß gegen § 43b BRAO ein anwaltsgerichtliches Verfahren bewusst in Kauf nimmt.
- Bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles ist der Stichentscheid des beauftragten Rechtsanwalts auch dann nicht bindend, wenn in dem Stichentscheid die Erfolgsaussichten bejaht werden.
LG Köln, Urt. v. 23.3.2017 – 24 S 22/16, ZAP EN-Nr. 350/2017
Bearbeiter: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht Dr. Hubert W. van Bühren, Köln
I Sachverhalt
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Mitglied der Rechtsanwaltskammer Köln. Im Jahre 2013 verteilte der Kläger Kalender mit Bildern nackter oder spärlich bekleideter Damen zu Werbezwecken an Autowerkstätten mit einem Hinweis auf seine Kanzlei. Die Rechtsanwaltskammer Köln hat den Kläger wegen eines Verstoßes gegen das Gebot sachlicher Werbung gerügt. Im Jahre 2015 bestellte der Kläger 30 Kalender mit Bildern nackter oder spärlich bekleideter Damen. Diese Kalender versah der Kläger mit einer Kopflasche, die auf seine Kanzlei hinwies. Der Kläger informierte die Rechtsanwaltskammer Köln über sein Vorhaben und verteilte auch diese Kalender.
Die Generalstaatsanwaltschaft Köln hat am 9.3.2015 gegen den Kläger ein Verfahren wegen Verstoßes gegen § 43b BRAO eingeleitet. Die Anschuldigungsschrift vom 24.8.2015 wurde dem Kläger mit Schreiben vom 1.10.2015 zugestellt. Der Kläger bat seine Rechtsschutzversicherung um eine Deckungszusage für dieses Verfahren. Die Rechtsschutzversicherung hat eine Deckung abgelehnt, weil der Kläger den Versicherungsfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt habe, im Übrigen bestünden auch keine Erfolgsaussichten.
In den ARB des Rechtsschutzversicherers heißt es unter § 3 Abs. 4: „In folgenden Fällen haben Sie keinen Versicherungsschutz: Sie haben (...) den Versicherungsfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt“.
Der Kläger hat in einem von ihm gefertigten Stichentscheid die Erfolgsaussichten bejaht und sich darauf berufen, dass dieser Stichentscheid gem. § 3 Abs. 4 ARB 2013 bindend sei.
Hinweis:
Wenn eine Rechtsschutzversicherung eine Kostenübernahme mit der Begründung verneint, dass die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen mutwillig ist oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, kann der Rechtsschutzversicherer den beauftragten Rechtsanwalt veranlassen, eine begründete Stellungnahme abzugeben, ob die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (Harbauer/Bauer, ARB Kommentar, § 18 ARB 2000 Rn 8 ff. m.w.N.).
Die Rechtsschutzversicherung verblieb bei ihrer Deckungsablehnung. Das Amtsgericht Köln hat die Klage durch Urteil vom 10.8.2016 (Az. 126 C 160/16) abgewiesen, das Landgericht Köln hat durch Berufungsurteil vom 23.3.2017 dieses Urteil bestätigt.
II Entscheidung
Das Landgericht hat in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass die Rechtsschutzversicherung zur Kostenübernahme nicht verpflichtet sei, weil der Kläger den Versicherungsfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt habe, außerdem fehle es an hinreichenden Erfolgsaussichten.
In § 3 Abs. 4 ARB 2013 wird der Versicherungsschutz ausdrücklich für die Fälle ausgeschlossen, bei denen der Versicherungsfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt wird. Diese Regelung entspricht § 81 Abs. 1 VVG.
Der Kläger hat bewusst und gewollt gegen § 43b BRAO verstoßen, selbst bedingter Vorsatz (dolus eventualis) führt zum Leistungsausschluss. Der Kläger handelte mit direktem Vorsatz, weil er aus dem vorangegangenen Verfahren wusste, dass die von ihm durchgeführte Werbung gegen § 43b BRAO verstieß und er deshalb von der Rechtsanwaltskammer Köln bereits gerügt worden war.
Demgegenüber war die Prüfung der Erfolgsaussichten ebenso wenig zielführend wie der vom Kläger vorgenommene Stichentscheid.
Nach § 2 lit. h ARB 2013 besteht Versicherungsschutz „für die Verteidigung in Disziplinar- und Standesrechtsverfahren“. Die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht beschränkt sich auf die Fälle von § 2 lit. a ARB 2013 bis § 2 lit. g ARB 2013. Bei Disziplinar- und Standesrechtsschutz (§ 2 lit. h ARB 2013), beim Strafrechtsschutz und beim Ordnungswidrigkeitenrechtsschutz sowie beim Beratungsrechtsschutz findet keine Prüfung der Erfolgsaussichten statt (Harbauer/Bauer, a.a.O., vor § 18 ARB 2000 Rn 16; van Bühren/Plote, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung, § 3a ARB 2010 Rn 7).
III. Anmerkung
Die Versagung des Versicherungsschutzes wegen der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls entspricht der gesetzlichen Regelung in § 81 Abs. 1 VVG und der Rechtsprechung.
Der Kläger hat den Versicherungsfall provoziert und vorsätzlich herbeigeführt, weil er eine Änderung von § 43b BRAO erreichen will. Nach dieser Vorschrift ist Werbung nur erlaubt, „soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet“.
Ein Kalender mit nicht oder leicht bekleideten Damen hat keinen Bezug zur anwaltlich...