Würde die Beiordnung eines Anwalts außerhalb des Gerichtsbezirks gegenüber einem Anwalt aus dem Gerichtsbezirk Mehrkosten auslösen, dürfte dieser Anwalt eigentlich gar nicht beigeordnet werden.
Die Praxis verfährt jedoch so, dass sie den Anwalt dennoch beiordnet, allerdings eingeschränkt, und damit die Mehrkosten ausschließt. Hierzu ist allerdings das Einverständnis des Anwalts erforderlich, das sich auch konkludent aus dem Beiordnungsantrag ergeben kann. In diesem Fall darf die Einschränkung aber nur dahingehend lauten, dass der Anwalt "zu den Bedingungen des im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet" wird.
Eine Beschränkung dahingehend, dass der Anwalt "zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Anwalts" beigeordnet wird, ist nicht zulässig:
Rechtsprechungshinweise:
- OLG Celle (AGS 2011, 365 = MDR 2011, 984 = JurBüro 2011, 486 = FamRZ 2011, 1745 = NJW-Spezial 2011, 635 = Rpfleger 2011, 617),
- LSG Baden-Württemberg (AGS 2016, 438),
- OLG Frankfurt (AGS 2014, 28 = MDR 2013, 721 = FamRZ 2014, 591),
- VG Oldenburg (AGS 2009, 467 = NJW-Spezial 2009, 460),
- LAG Hessen (AGS 2010, 299 = NJW-Spezial 2010, 380 = AG kompakt 2011, 143),
- OLG Karlsruhe (FamFR 2010, 541),
- LAG Köln (AGS 2013, 161 = NZA-RR 2013, 311 = NJW-Spezial 2013, 251 = RVGprof. 2013, 75),
- OLG Celle (AGS 2016, 437 = NdsRpfl 2016, 309 = RVGreport 2016, 300 = NJW-Spezial 2016, 572).
Weder die ZPO noch das FamFG kennen einen gerichtsansässigen Anwalt, sondern unterscheiden nur zwischen dem Anwalt im Gerichtsbezirk und dem Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks (s. § 121 Abs. 3 ZPO, § 78 Abs. 3 FamFG).
Ist der Anwalt rechtswidrig zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet worden, muss er hiergegen nach § 127 ZPO (ggf. i.V.m. § 78 Abs. 2 FamFG) binnen Monatsfrist Beschwerde einlegen (OLG Celle AGS 2011, 365 = MDR 2011, 984 = JurBüro 2011, 486 = FamRZ 2011, 1745 = NJW-Spezial 2011, 635 = Rpfleger 2011, 617). Ansonsten wird die unzutreffende Beiordnung rechtskräftig und damit für den Festsetzungsbeamten bindend.
Ist der auswärtige Anwalt zutreffenderweise zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet worden, kann er seine Reisekosten wiederum aus der Landeskasse bis zu den höchstmöglichen Reisekosten eines Anwalts aus dem Gerichtsbezirk verlangen.
Rechtsprechungshinweise:
- VG Oldenburg (AGS 2009, 467 = NJW-Spezial 2009, 460),
- LAG Hessen (AGS 2010, 299 = NJW-Spezial 2010, 380 = AG kompakt 2011, 143),
- OLG Celle (AGS 2016, 437 = NdsRpfl 2016, 309 = RVGreport 2016, 300 = NJW-Spezial 2016, 572).
Auch hier gilt Gleiches wie bei der Kostenerstattung:
- Gibt es im Gerichtsbezirk Orte, die weiter entfernt sind als die Kanzlei des auswärtigen Anwalts, sind die Reisekosten des auswärtigen Anwalts in voller Höhe aus der Landeskasse zu vergüten.
- Ist die Kanzlei des auswärtigen Anwalts weiter entfernt als der entfernteste Ort innerhalb des Gerichtsbezirks, sind seine Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks von der Landeskasse zu übernehmen.
- Ob in dem entferntesten Ort ein Rechtsanwalt residiert, ist unerheblich.
Beispiel:
Der Anwalt hat seine Kanzlei in Karlsruhe und wird von einer in Mannheim ansässigen Partei mit einem Rechtsstreit vor dem LG Mannheim beauftragt. Der Partei wird Prozesskostenhilfe bewilligt. Der Anwalt wird beigeordnet zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts.
Die Reisekosten des Karlsruher Anwalts belaufen sich (netto) auf:
1. |
Karlsruhe – Mannheim und zurück, 2 × 75 km x 0,30 EUR/km |
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45,00 EUR |
2. |
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG |
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25,00 EUR |
3. |
Parkgebühren |
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3,36 EUR |
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Gesamt |
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73,36 EUR |
Hätte die Partei erstinstanzlich einen Anwalt aus Reilingen beauftragt, das noch zum LG-Bezirk Mannheim zählt, wären dessen Reisekosten in voller Höhe von der Landeskasse zu übernehmen:
1. |
Reilingen – Mannheim und zurück, 2 × 31 km x 0,30 EUR/km |
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18,60 EUR |
2. |
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG |
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25,00 EUR |
3. |
Parkgebühren |
|
3,36 EUR |
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Gesamt |
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46,96 EUR |
Folglich sind die Reisekosten des Karlsruher Anwalts in dieser Höhe aus der Landeskasse zu zahlen.
Voraussetzung für einen Anspruch des auswärtigen Anwalts auf Reisekosten ist allerdings auch hier, dass der Gerichtsbezirk auswärtige Gemeinden umfasst, da anderenfalls im Gerichtsbezirk eine Geschäftsreise nicht möglich ist (s. Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG).
Beispiel:
Der Anwalt hat seine Kanzlei in Kerpen und wird von einer in Köln ansässigen Partei mit einem Verfahren vor dem AG Köln beauftragt. Der Partei wird Prozesskostenhilfe bewilligt. Der Anwalt wird beigeordnet zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts.
Da sich der Gerichtsbezirk des AG Köln mit dem Stadtbezirk Köln deckt, gibt es hier keine auswärtigen Anwälte im Gerichtsbezirk. Daher kann jetzt auch der auswärtige Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks keine Reisekosten aus der Landeskasse verlangen.