Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und der Deutsche Anwaltverein (DAV) haben entschieden den Vorwurf des Bundestagsabgeordneten und CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt zurückgewiesen, eine "Anti-Abschiebe-Industrie" in Deutschland nutze die Mittel des Rechtsstaates, um ihn durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen heraus zu bekämpfen. Insbesondere hatte Dobrindt in einem Artikel der Bild am Sonntag Rechtsanwälte bezichtigt, mit Klagen gegen Abschiebungen nicht für das Asylrecht, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden zu arbeiten.
Ihr Befremden über die Äußerungen Dobrindts, insbesondere den Begriff der "Anti-Abschiebe-Industrie", hat zunächst die BRAK zum Ausdruck gebracht. So kritisierte der Vorsitzende des Ausschusses für Asyl- und Ausländerrecht Dr. Stephan Hocks: "Diese Ausdrucksweise verärgert mich, weil sie unterstellt, dass es Anwälte und Berater gibt, die aus kommerziellen Interessen Abschiebungen verhindern. Der Ausdruck "Industrie" suggeriert etwas organisiertes, massenhaftes und gewinnorientiertes. Berater und Anwälte, die sich für Asylsuchende einsetzen, tun dies im Einzelfall und aus berechtigten Gründen – und sie schwimmen weiß Gott nicht in Geld", so Hocks.
In einem offenen Brief ist auch der Vorsitzende des DAV, Dr. Ulrich Schellenberg, der Unterstellung, Teile der Anwaltschaft würden systematisch unrechtmäßig Abschiebungen verhindern, entgegengetreten. Eine "Anti-Abschiebe-Industrie", die den Rechtsstaat sabotiere, gebe es nicht, so Schellenberg.
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte würden legitime Rechte ihrer Mandanten wahrnehmen, wenn sie im Fall der Ablehnung eines Asylantrags die Vertretung übernähmen und dazu beitrügen, dass diese momentan nicht abgeschoben werden. Das Einlegen von Rechtsmitteln gegen behördliche und gerichtliche Entscheidungen sei in Deutschland zum Glück rechtsstaatlich verankert. Nur weil Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Vergangenheit beauftragt worden seien, Rechtsmittel einzulegen, habe der BGH bisher zahlreiche Entscheidungen der Amtsgerichte in Abschiebehaftsachen, die rechtswidrig gewesen seien, überprüfen und korrigieren können.
Jeder Rechtsuchende, auch derjenige ohne Bleiberecht, habe, so der DAV-Präsident, Anspruch auf anwaltliche Vertretung. Der Zugang zum Recht, den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sicherten, dürfe weder von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen noch von seinem Aufenthaltsstatus abhängig sein. Dies sei ein Fundamentalgrundsatz des Rechtsstaatsprinzips. Eine Skandalisierung der anwaltlichen Tätigkeit sei deshalb sachlich falsch.
Inzwischen hat der CSU-Landesgruppenchef aber auch Zustimmung zu seiner Kritik erfahren. Der Bund der Verwaltungsrichter bemängelte ebenfalls die Versuche, die Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber auszuhebeln. Allerdings haben die Richter dabei weniger die Rechtsanwaltschaft im Blick als vielmehr eine mangelnde Akzeptanz von Asylentscheidungen in Teilen der Bevölkerung. In einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte der Verbandsvorsitzende Robert Seegmüller, leider gebe es Menschen, die die behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen nicht akzeptierten und die Durchsetzung von Ausreisepflichten be- oder sogar verhinderten.
Weiteren Reformbedarf mahnt der Städte- und Gemeindebund an. Sein Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg forderte kürzlich: "Der Rechtsweg in den Asylverfahren muss gestrafft werden. Da sind oft eine Menge unterschiedlicher Gerichte für einen Fall zuständig, je nachdem ob es um das Asylrecht, Sozialleistungen, Familienrechtsfragen oder Abschiebungen geht." Alle diese Fragen müssten bei einer Instanz konzentriert werden.
[Quellen: DAV/NOZ]