Smart Contracts oder Smart Legal Contracts verwirklichen den Grundgedanken des schuldrechtlichen Vertrags als digitalen Programmcode. Ebenso wie sich Transaktionen von Kryptowährungen auf einer Blockchain speichern lassen, so lassen sich in einem solchen Source Code ganze Programmzeilen aufzeichnen (sog. Contractware), die die Laufzeit eines Vertrags begleiten und im Eintrittsfall bestimmter Wenn-Dann-Bedingungen automatisch Vorgänge oder Aktionen (z.B. Geldzahlungen oder Vertragsstrafen) auslösen (vgl. Prior ZAP F. 2, S. 651, 653 f.; Fries AnwBl 2018, 86; Eschenbruch/Gerstberger NZBau 2018, 3; Kaulartz/Heckmann CR 2016, 618; Konzept entwickelt von Nick Szabo, The Idea of Smart Contracts, 1997).
Hinweis:
Der Einsatz der Blockchain ist aber bei Smart Contracts nicht zwingend, sondern eröffnet optional die Abwicklung von Verträgen ohne Inanspruchnahme von Erfüllungsvertrauen in den Vertragspartner (Eschenbruch/Gerstberger NZBau 2018, 3).
Smart Contracts sind in Computersprache geschriebene Vertragsvereinbarungen, die das Verfahren des Vertragsabschlusses und der Vertragsabwicklung enthalten (Müller ZfIR 2017, 600). Der Vollzug der getroffenen Vereinbarungen kann damit selbstauslösend erfolgen, indem das Vertrauen in die menschliche Leistungsbereitschaft durch einen determinierten Prozess ersetzt wird (Simmchen MMR 2017, 162, 164). Die Blockchain-Technologie ermöglicht die Ausfallsicherheit und Unveränderbarkeit der getroffenen Vereinbarungen (Blocher AnwBl 2016, 614, 615). Der Vertrag muss theoretisch nicht mehr mit Hilfe gerichtlicher, schiedsgerichtlicher oder anderweitiger Intermediäre durchgesetzt werden, weil sich ein Smart Contract selbst exekutiert und damit selbst vollzieht.
Die Praxis, insbesondere der Finanzsektor (sog. Fintech), hat das Potential längst erkannt: Banken und auch die Deutsche Börse oder Zentralverwahrer entwickeln bereits fleißig Plattformen und Tools für Transaktionen von Finanzinstrumenten einschließlich der jeweiligen Sicherheiten.
Dabei sind die rechtlichen Auswirkungen durch die Auslagerung mit Blick auf die gesetzlichen Outsourcing-Vorgaben in § 25b KWG oder die Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Banken, kurz MaRisk, (vgl. BaFin-Rundschreiben 9/2017 v. 27.10.2017, abrufbar unter www.bafin.de) noch weitgehend ungeklärt.
Nutzen können solche Tools wie die "Intelligente Lieferkette" beispielsweise alle Betriebe im Bereich der milliardenschweren Handelsfinanzierung. Teilzahlungen des Empfängers können automatisch beim Verlassen, auf dem Weg oder beim Eintreffen beim Empfänger ausgelöst werden, ohne dass es weiterer Transaktionsschritte bedarf (z.B. "we.trade" von derzeit neun europäischen Großbanken, darunter Deutsche Bank, vgl. we-trade.com, oder das vergleichbare Projekt "Batavia"). Damit können das Liquiditätsmanagement optimiert, Finanzierungskosten verringert und dem Zahlungsausfall vorgebeugt werden. Die Anbieter der Trade-Finance-Plattformen könnten an dieser Kostenreduzierung der Betriebe mitverdienen.
Doch auch im alltäglichen Verbrauchsgütergeschäft gibt es Beispiele:
- Hierzu zählen Kaufverträge, die quasi mittels Knopfdruck über sog. Dash Buttons oder von einer Anwendungseinheit im Bereich des "Smart Home" (z.B. der "intelligente Kühlschrank") geschlossen werden (vgl. Krüger/Peintinger, in: Martinek u.a., Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl., § 36 Rn 117 ff.).
- Anwendungsfelder werden derzeit auch im Bereich des Bauplanungs- und Immobilienwesens fleißig erschlossen. So erlaubt das Konzept des Building Information Modelings (BIM) die Attributierung von Planungsobjekten mit zusätzlichen Informationen, die auch in Form von Smart Contracts hinzugefügt werden können (vgl. Beispiele bei Eschenbruch/Gerstberger NZBau 2018, 3, 4 ff.; Müller ZfIR 2017, 600, 610).
- Interessante Konzepte finden sich auch in der Versicherungswirtschaft, so beispielsweise bei der Blockchain Insurance Industry Initiative (B3i), die den Datenaustausch zwischen Erst- und Rückversicherern (u.a. MunichRe, Allianz, Generali) effizienter gestalten und noch 2018 gelauncht werden soll (MunichRe, PM vom 10.9.2017, abrufbar unter www.munichre.com ).
Die Frage nach der Einordnung von Smart Contracts in die nationale Rechtsordnung lässt sich lösen. Zwar kollidiert auf den ersten Blick der Code-Ansatz von "true" und "false" mit der bekannten Materie der Rechtsgeschäftslehre. Auf den zweiten Blick erlaubt aber der weitsichtige historische Gesetzgeber mit seinem hohen Abstraktionsgrad im bürgerlichen Recht die jeweilige Einordnung von Programmcodezei...