Anders als die im SGG-Prozess allerdings nicht vorgesehene Parteivernehmung (§§ 445 ff. ZPO) ist die Anhörung der Parteien nach § 141 Abs. 1 ZPO (s. auch § 112 Abs. 2 SGG) kein Beweismittel. Wenn § 276 Abs. 1 ZPO – entsprechend § 128 Abs. 1 S. 1 SGG – anordnet, dass das Gericht nach freier Beweiswürdigung zu entscheiden habe und dass deren Grundlage der gesamte Inhalt der Verhandlung ist, so bedeutet dies, dass sich der Tatrichter allein aufgrund des Parteivortrags und ohne Beweiserhebung eine Überzeugung bilden kann. An diesem Grundsatz hat der BGH (Beschl. v. 27.9.2017 – XII ZR 48/17, MDR 2018, 172; Nassal jurisPR-BGHZivilR 5/2018, Anm. 3, Prütting JM 2018, 323) festgehalten (s. bereits BGH, Urt. v. 7.2.2006 – VI ZR 20/05, NJW-RR 2006, 672).
Im konkreten Fall hat die Klägerin auf Rückzahlung eines darlehensweise gegebenen Geldbetrags geklagt. Die Beklagten bestritten den Anspruch und legten im Rahmen einer Anhörung nach § 141 Abs. 1 ZPO "detailreich und frei von Widersprüchen" (so die Würdigung durch das LG) die Rückgabe des Gelds dar. Für diese rechtsvernichtende Einwendung trugen sie die Beweislast. Das OLG hat die klageabweisende Entscheidung des LG aufgehoben, weil es die Anhörung der Beklagten in erster Instanz nur als eine informatorische Anhörung und nicht als Beweismittel ansah.
Die Revision der Beklagten war im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung erfolgreich. Aus dem oben dargelegten Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgt der BGH, dass der Tatrichter im Rahmen seiner Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Angaben einer Partei im Einzelfall auch dann Glauben schenken kann und darf, wenn diese ihre Richtigkeit nicht durch eines der formellen Beweismittel beweisen kann – auch nicht mittels Parteivernehmung nach § 448 ZPO, weil es an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt. Dies gilt nach den Ausführungen des BGH selbst dann, wenn die Gegenseite für die Richtigkeit der gegenteiligen Behauptungen Zeugenbeweis führen kann. Ferner hat der BGH entschieden, dass dann, wenn die erste Instanz ihre freie Überzeugung nach § 286 ZPO auf eine Parteianhörung gestützt hat, das Berufungsgericht sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung mit dem Ergebnis dieser Anhörung auseinandersetzen und diese nach § 141 ZPO ggf. selbst durchführen muss, wenn es ihr nicht folgen will.
Hinweis:
Die Entscheidung des BGH hat ebenso Bedeutung für das sozialgerichtliche Verfahren.